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Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Titel: Die Staatskanzlei - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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fühlte, wäre auch denkbar. Wenn es anders war und die beiden sich nicht kannten, sind politische Motive naheliegend und ein terroristischer Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden.“
    Zustimmendes Raunen ging durch den Raum. Nur Hirschmann schaute aus der Wäsche, als ob ihm eine Laus über die Leber gelaufen wäre. Stollmann lächelte und ermunterte Verena fortzufahren. Das war für Hirschmann zu viel.
    Er kehrte seinen Dienstrang heraus und ging dazwischen. „Dieser Fall sprengt den üblichen Rahmen. Ministerialdirigent Heise war hochrangiger Landesbeamter und Berater des Regierungschefs. Wir haben es weder mit dem Rotlichtmilieu zu tun noch mit der Klientel, die sonst zu unseren Kunden zählt. Will sagen, keine Unterschicht, keine kriminellen Banden, keine Clans aus dem Migrantenmilieu.“
    Er redete sich in Fahrt. „Wir ermitteln in einer Umgebung, die nur die wenigsten Menschen in diesem Land aus eigenem Erleben kennen. Die Staatskanzlei spielt in einer anderen Liga. Politische Sensibilität ist geboten.“
    Verena bemerkte, dass Stollmann unruhig wurde. Sein rotes Gesicht sprach Bände. „Was soll das, Kollege Hirschmann?“, brach es aus ihm heraus. „Heise ist erschossen worden. Tot ist tot, da hilft ihm seine elitäre Position auch nicht. Unser Job ist es, den Mord aufzuklären. Wir werden nicht dafür bezahlt, irgendwelchen Beamten oder Politikern in den Allerwertesten zu kriechen. So ein Stuss!“
    Jetzt lief auch Hirschmann rot vor Zorn an. „Passen Sie auf, was Sie sagen. An Ihrer Stelle wäre ich vorsichtig. Außerdem …“
    „Stopp“, rief Verena. „Lasst uns lieber über die Aufgabenverteilung reden. Wir waren noch nicht fertig damit.“
    Hirschmann grummelte unverständliche Worte in sich hinein. Dann ging es an die Verteilung der Aufgaben. Ein Team würde die Befragungen in Heises Nachbarschaft fortsetzen. Ein anderes Team sollte sich eingehender mit seinem Privatleben beschäftigen. Auch galt es die Hinweise aus der Bevölkerung auszuwerten. Mit Heises Notebook und seinem Handy würde sich die Soko befassen, sobald die Techniker beides freigaben. Verena bekräftigte, dass sie gleich morgen noch einmal mit der Witwe und ihrem übel riechenden Nachbarn sprechen wolle.
    Hirschmann sagte zu, die Telefonate mit der Bundespolizei und dem Verfassungsschutz zu übernehmen, was niemanden im Raum wunderte, da er bekanntermaßen großen Wert auf Kontakte zu diensthöheren Stellen legte. Als Verena vorschlug, einander am nächsten Tag erneut gegen 17 Uhr zu treffen, gab es Protest. Einer der beiden notorischen Arbeitsverweigerer schob einen unaufschiebbaren Arzttermin vor und bestand auf einem früheren Besprechungstermin.
    Verena lag eine scharfe Bemerkung auf der Zunge. Sie schluckte sie herunter. Da war nichts zu machen, der Mann war Beamter. „Dann eben 16 Uhr.“

11
    Es war noch nicht einmal sechs Uhr und weit und breit niemand auf der Straße zu sehen. Der knorrige, kahle Baum vor ihrem Fenster wirkte in der Dunkelheit bedrohlich. Und doch mochte sie die frühen Morgenstunden, wenn die Stadt bis auf einige wenige Frühaufsteher noch schlief. In einer Stunde würde geschäftiges Treiben einsetzen und Verkehrslärm die Ruhe verdrängen. Ein Auto kam näher und hielt vor ihrem Haus. Der Zeitungszusteller, er kam jeden Morgen um Punkt halb sechs. Sie hätte die Uhr danach stellen können
.
    Wenn es kalt war, wie heute, und sie nicht auf dem Balkon sitzen konnte, verbrachte sie ihre schlaflosen Nächte in der Küche, blätterte in Zeitschriften oder schaute einfach nur aus dem Fenster. Oder sie hing ihren Gedanken nach, die sich fast immer um den Auftrag drehten. Noch war er nicht erfüllt
.
    Langweilig wurde ihr nie. Die Nacht war voller Geheimnisse. Und es waren die Nächte, wenn sie in ihrer Nähe waren. Tagsüber schliefen sie. Nur selten sprachen sie auch tagsüber zu ihr, meistens kamen sie nachts
.
    Sie stand auf, verließ die wohlig warme Küche und ging die Treppe hinunter in den zugigen Hausflur. Ihr Briefkasten quoll über, neben der Tageszeitung lagen Reklameblätter, die sie achtlos auf den Boden warf. Sollte der Reinigungsdienst sich damit befassen, dafür wurde er schließlich bezahlt
.
    Zurück in der Küche studierte sie die Zeitung. Auf der ersten Seite ein ausführlicher Bericht über den Mord. Tötungsdelikte wurden sonst im Lokalteil behandelt. Ministerialdirigent Heise hatte es auf Seite 1 geschafft. Es hätte ihn gefreut, arrogant und selbstverliebt, wie er gewesen

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