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Die Stadt am Ende der Zeit

Die Stadt am Ende der Zeit

Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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versammelt? Wozu sonst das ganze Theater?
    Schließlich waren die beiden jungen Leute – jünger als Fred – in seiner Nähe, und im Notfall war da auch noch Glaucous, ein auf seine Weise altersloses Geschöpf und zweifellos ein zäher Typ. Allerdings war Daniel instinktiv klar, dass er auf keinen Fall, was auch geschehen mochte, in den Körper von Bidewell schlüpfen durfte. Er wollte nicht im Lagerhaus festsitzen, und Bidewell, der diesen Ort nicht verlassen wollte, würde dessen Zerstörung wohl kaum überleben.
    Auch keine der älteren Damen kam für Daniel in Frage. Es hatte ihm einen Stich ins Herz versetzt, als er eines ihrer kleinen grünen Bücher aus einer Handtasche hatte herausschauen sehen. Auf dem Buchrücken war die Zahl 1298 eingedruckt. Die Frau im Arztkittel, Sangloss, hatte offenbar ein medizinisches Interesse an ihm, während die anderen Damen ihn schlichtweg ignorierten. Er konnte ihren Argwohn fast riechen. Auf ihre Weise waren sie sogar stärker und möglicherweise auch besser gewappnet als Glaucous. Die konnte er vergessen.
    Glaucous, der auf einer niedrigen Bank hockte, sah dem kleinen Schauspiel mit starrem Lächeln zu. »Geh schon!«, sagte er. »Hier draußen gibt es für dich nichts zu holen.«
    Wie Recht er doch hatte! Sobald die Tür geschlossen war, würden Bidewell, Glaucous und die Damen vielleicht gänzlich vom Erdboden verschwinden. Vorstellbar war auch, dass das Lagerhaus abfackelte und wie eine Feder in die Lüfte stieg. Alles Mögliche konnte passieren, aber er selbst würde es überleben.
    Nachdem Daniel durch die Außentür getreten war, schloss Bidewell sie hinter ihm. Die rechte und die linke Innentür
waren zugezogen, und es drang kein Laut heraus. Daniel malte sich aus, wie Ginny und Jack gelangweilt in diesen Räumen saßen und darauf warteten, dass Bidewell sie nach angemessener Zeit herausholte und sich bei ihnen entschuldigte. Der Alte hatte eindeutig keine Ahnung, was vor sich ging.
    Das Lagerhaus summte wie eine mitschwingende Saite, wollte Teil des großen Zerstörungswerks werden. Wollte sterben.
    Daniel ging zur mittleren Tür, drehte den Schlüssel um und griff nach dem Knauf. Er achtete darauf, die Tür hinter sich zu verriegeln. Niemand würde heimlich ins Zimmer schlüpfen. Doch er musste die Form wahren.
    In dem langgestreckten Raum nahm er auf dem weißen Stuhl Platz, beugte sich vor und wartete ab.
    Voller Angst.
     
    Der alte Dodge fuhr jetzt über kleine Hügel und würde bald das Gebirge erreichen, doch Jeremy wusste nicht genau, wo sie sich befanden, und es war ihm auch ziemlich egal. Den Oberkörper in die Ecke der Rückbank gequetscht, hatte er das Gipsbein fast über die volle Wagenbreite ausgestreckt. Er war sehr schlecht drauf, und das war keine vorübergehende Stimmung. Vielmehr kam es ihm so vor, als säße er in einem endlosen Betontunnel ohne Ausgang fest. Ryan, sein Vater, würde bald sterben, und das bedeutete, dass er nichts und niemanden mehr haben würde, nur die elementaren Bühnenkenntnisse, die sein Vater ihm vermittelt hatte: mittelmäßige Witze und armselige, langweilige Zaubertricks.
    »Ich habe von diesem Düsteren Aufseher geträumt. Er ist eine Art Roboter, der fliegen kann«, erklärte Ryan. »Er holt
einen ab, wenn man gestorben ist. Ist vielleicht so was wie ein Müllentsorger.«
    » Dich kommt er abholen, nicht mich«, sagte Jeremy und hätte es am liebsten sofort zurückgenommen.
    Ryan grinste wie ein Waschbär. »Du hast ja soooo Recht. In meinem Traum kam auch ein merkwürdiger Ort vor, eine Art Höhle, riesig und mit einem hellen Himmel darüber. Und sie war voller seltsamer Leute mit kleinen Ohren, die statt Körperbehaarung einen buschigen Pelz hatten. Ich kann mich nur noch an wenige Dinge erinnern, bin aber mehrmals dort gewesen. Die Leute im Traum bezeichnen den Tod als Düsteren Aufseher . Ziemlich unheimlich. Allerdings nimmt er in dieser Welt niemanden mit, der noch Lebensgeister hat – und keiner wird dort jemals krank. Sie tragen zwar Kämpfe miteinander aus, aber töten einander nicht. Diebstahl ist dort unbekannt. Auch diese Leute ziehen ihren Nachwuchs groß, doch sie bekommen keine Kinder, sondern die Kinder werden wie Pakete bei ihnen abgeliefert. So als hätte sie der Storch gebracht. Verrückt, nicht?«
    Aufgeschreckt von einer gespenstischen Erinnerung, rappelte Jeremy sich hoch und verlagerte das Gipsbein. Versuchte sich darauf zu besinnen, wo er in Wirklichkeit war. Bekam die Erinnerung nicht zu

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