Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
den engen Spalt in die dämmerige Abgeschiedenheit dieses vertrauten Ortes. Wie angewurzelt blieb er hinter der Tür stehen. Er war nicht allein. Vor dem Gedenkstein stand ein dunkelhaariger Mann mit hochgezogenen Schultern und einer Hakennase. Noch bevor Leron´das erkannte, wer es war, verstellte ihm eine hohe, breite Gestalt die Sicht.
„Verschwinde! Du störst den König", knurrte er ihn an.
Leron´das machte einen Schritt zur Seite und sah direkt in die Augen des Königs. Wie gebannt, stand der Elbe da und rührte sich nicht von der Stelle. In seinem Kopf kreisten die Gedanken, aber es waren nicht seine eigenen Gedanken, sondern düstere, wirre Gedanken, voller Zorn und Angst. Voller Angst. Leron´das verschloss seinen Geist und rutschte rückwärts durch die Kapellentür. Er lief nicht über den Hof, sondern suchte Deckung im Schatten der Mauern. Noch bevor er das Kirchenportal erreicht hatte, hörte er den Wachmann über den Hof nach ihm rufen. Er drückte sich enger in die Schatten und verschwand lautlos in der Geborgenheit der Kirche. Sein Herz raste, sein Atem ging stoßweise. Mühsam ordnete er seine Gedanken. Wieder einmal war er nicht darauf vorbereitet gewesen einem Feind zu begegnen. Er wusste, dass diese wenigen Augenblicke gereicht hatten, um dem anderen zu verraten, wer vor ihm stand.
Benidius kniete vor dem Altar, aber Leron´das war noch nicht bereit sich aus der dunklen Nische zu lösen. Er lauschte den Stimmen im Hof, er hörte, wie Türen aufgerissen und wieder zugeworfen wurden, dann schwang auch das schwere Kirchentor auf. Augenblicklich erhob sich der Abt aus seinem Gebet und sah zornig den Mann an, der unter seinem tadelnden Blick zu schrumpfen schien. Seine Stimme klang schrill.
„Ist da gerade ein junger Mann ´reingelaufen?"
„Niemand außer dir und mir ist hier in diesem Hause Gottes. Tritt ein und bete oder geh." Die Stimme des Abts war fest und gebieterisch, während die Stimme des Wachmanns noch zaghafter wurde. „Entschuldigt, aber der König sucht nach einem Flüchtigen. Schmal gebaut und mit hellen Haaren …"
„Sag deinem König, dass er sich hier an einem Ort der Kirche befindet, an dem jeder Zuflucht findet, der Zuflucht sucht", dröhnte die Stimme des Abts. Mit großen Schritten ging er auf den Wachmann zu, der langsam in sich zusammensank und rückwärts auswich.
„Ich sage es ihm am besten selbst", knurrte der Abt im Vorbeigehen. „Majestät", rief er über den Hof. „Auf ein Wort!"
Leron´das stellte seine feinen Ohren auf.
„Vor Gottes Angesicht sind wir alle Sünder, vor Gottes Angesicht sind wir alle gleich. Jeder Mensch ob gut oder böse, ob arm oder reich findet in Gottes Haus Zuflucht und Ruhe. Ich dulde es nicht, dass Eure Wachen hier Unruhe und Zwietracht stiften. Verfolgt, wen immer ihr wollt, aber außerhalb dieser Mauern. Denn hier richtet nur einer und das ist unser Herr."
„Ich bin der König, und Ihr widersetzt Euch meinem Befehl", schnarrte der König aufgebracht.
„Ihr seid ein weltlicher Herrscher, ich bin ein kirchlicher Würdenträger. Mir befehlt Ihr nicht! Dieses Haus ist meiner Obhut anvertraut, Ihr seid mein Gast. Vergesst das nicht!" Die Stimme des Abts war so eisig wie ein später Frost im Frühling. Niemals hätte Leron´das geglaubt, dass dieser freundliche Mann zu solch machtvollen Worten fähig war. Er betrat wieder die Kirche und schloss das Tor.
„Ur´ma an mi." Folge mir. Seine Worte waren nicht lauter als ein Murmeln. Er ging geradewegs durch den Mittelgang.
Leron’das folgte ihm entlang der Mauer. Neben dem Opfertisch, der breit und massiv gemauert war, blieb der Abt stehen. Er drückte zwei Punkte in der Wandverkleidung, die selbst Leron´das in den zahllosen Schnörkeln und Ornamenten nicht wiederfinden konnte, und eine schmale Tür sprang auf. Leron´das huschte hindurch und der Abt folgte ihm. Sie standen im Inneren des Altars. Eine einzelne Kerze brannte in einer schmiedeeisernen Wandhalterung, an der hinteren schmalen Wand. An den beiden großen Wänden waren flächendeckend Bilder von dem leidvollen Tod zweier Märtyrer. Im Grauen gebannt starrte Leron´das auf diese Wände.
„Wer lässt sich nur derlei Gräueltaten einfallen. Wer malt so etwas auf die Wände einer Kirche?", murmelte er fassungslos.
„Die Menschen sind nicht von jenem edlen Geblüt, von dem die Elben sind. Viele von uns sind zu niederen Taten fähig und Grausamkeit wohnt in unseren Herzen. Um die dunklen Abgründe unserer Seele vor Augen
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