Die Stadt der Singenden Flamme - Die gesammelten Erzaehlungen - Band 1
erwuchs.
Er wurde zum Barbaren eines troglodytischen Stammes, der vor dem langsamen, mit Spitztürmen versehenen Eis einer früheren Eiszeit in Länder flüchtete, die von dem roten Lodern ewiger Vulkane erhellt wurden. Dann, nach unzähligen Jahren, war er kein Mensch mehr, sondern ein menschenähnliches Tier, das durch Wälder aus gewaltigen Farnen und Kalamiten streifte oder ein ungeschlachtes Lager in den Ästen der mächtigen Zykadeen baute.
Durch Äonen vorzeitlicher Empfindungen, derber Lust und Hungers, eingeborenen Entsetzens und Irrsinns, war da jemand – oder etwas –, der in der Zeit immer weiter zurückreiste. Tod wurde zu Geburt, Geburt war Tod. In einer langsamen Vision rückläufigen Wandels schien die Erde fortzuschmelzen, schienen die Hügel und Berge ihre späteren Schichten abzustreifen. Immer größer und heißer wurde die Sonne über den dampfenden Sümpfen, in denen es vor rohem Leben wimmelte, mit immer widerlicherer Vegetation. Und das Ding, das einst Paul Tregardis gewesen war, das einst Zon Mezzamalech gewesen war, war Teil dieser ungeheuerlichen Entartung. Es flog mit den krallenbewehrten Schwingen des Pterodaktylus, es schwamm in den lauen Meeren mit der gewaltigen, sich windenden Masse eines Ichthyosaurus, es brüllte plump mit der gepanzerten Kehle eines vergessenen Behemoths den riesigen Mond an, der durch liassische Nebel brannte.
Endlich, nach Äonen unendlicher Viehhaftigkeit, wurde es zu einem jener verschollenen Schlangenmenschen, die auf dem ersten Kontinent der Welt ihre Städte aus schwarzem Gneis erbauten und Gift sprühende Kriege führten. Es schritt unbekümmert über vormenschliche Straßen, durch sonderbare, gekrümmte Gewölbe; es blickte von hohen, babylonischen Türmen empor zu den urzeitlichen Sternen; es verneigte sich mit gezischten Litaneien vor riesigen Schlangengötzen. Es kehrte durch Jahre und Zeiten der ophitischen Ära zurück und ward zu einem Ding, das im Schleim kroch, das noch nicht zu denken und träumen und erschaffen gelernt hatte. Und es kam die Zeit, da es nicht länger einen Kontinent gab, sondern nur einen gewaltigen, chaotischen Sumpf, ein Meer aus Schleim, ohne Ufer oder Horizont, in dem es vom blinden Zucken formloser Dünste gärte.
Dort, am grauen Urbeginn der Erde, ruhte die gestaltlose Masse namens Ubbo-Sathla inmitten von Schleim und Dünsten. Kopflos, ohne Organe oder Gliedmaßen, sonderte es von seinen feuchten Seiten in langsamer und unaufhörlicher Folge die Urgestalten irdischen Lebens ab. Entsetzlich wäre es gewesen, hätte jemand den Schrecken wahrzunehmen vermocht, und ekelhaft, hätte jemand Ekel empfinden können. Um es herum lagen hingestreckt oder gekippt die mächtigen Tafeln aus stellarem Gestein, die mit der unfassbaren Weisheit der vorweltlichen Götter beschrieben waren.
Und dorthin, ans Ziel einer vergessenen Suche, wurde das Ding gezogen, das einst Paul Tregardis und Zon Mezzamalech gewesen war – oder dereinst sein würde. Es wurde zu einem formlosen Molch der Urzeit und kroch träge und selbstvergessen über die gefallenen Tafeln der Götter, und es kämpfte und fraß blind mit der restlichen Brut von Ubbo-Sathla.
Von Zon Mezzamalech und seinem Verschwinden steht nirgends geschrieben, mit Ausnahme des kurzen Abschnittes im Buch des Eibon . Bezüglich Paul Tregardis, der ebenfalls verschwand, gab es eine knappe Mitteilung in mehreren Londoner Zeitungen. Niemand scheint irgendetwas über ihn gewusst zu haben: Er verschwand, als hätte es ihn nie gegeben; und vermutlich ist auch der Kristall fort. Jedenfalls hat niemand ihn je gefunden.
Der Eisdämon
Quanga der Jäger hatte in Begleitung von Hoom Feethos und Eibur Tsanth, zwei der abgefeimtesten und furchtlosesten Juwelenhändler, die in Iqqua zu finden waren, die Grenzen eines Gebietes überschritten, wohin Menschen sich nur selten vorwagten – und woher sie noch seltener wieder zurückkehrten. Nach einer Reise, die sie in nördlicher Richtung aus Iqqua fortgeführt hatte, waren die drei ins verödete Mhu Thulan vorgedrungen, wo der Große Gletscher von Polarion gleich einem Meer aus Eis viele reiche und ruhmvolle Städte unter sich begraben und die breite Landenge von einer Küste zur anderen mit endlosen Klaftern ewigen Eises überzogen hatte.
Tief unten am Grunde des Gletschereises, so ging die Sage, zeichneten sich noch immer die muschelförmigen Kuppeln von Cerngoth ab, und die kühn aufragenden Turmspitzen von Oggon-Zhai waren darin ebenso
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