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Die Stadt - Roman

Titel: Die Stadt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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dass sie keine Dummheiten machen. Ich lasse mich von dir chauffieren, Jasmin, wenn du erlaubst.«
    Sie lächelte. »Wie ein General.«
    Als sie fuhren, im Schritttempo vor hundert Schwerbewaffneten, auf dem Weg zum Supermarkt, sagte Dago: »General Dago, das gefällt mir.«

    Als sie eine Dreiviertelstunde später den Parkplatz des Supermarkts erreichten, war die Sonne untergegangen, und Dunkelheit breitete sich in der Stadt aus. Aber nicht hier. Die Lampen auf der weiten Parkfläche brannten, und helles Licht drang durch die Glasfront des Supermarkts. Musik erklang aus Lautsprechern.
    Vor dem Eingang des Supermarkts hatte die Gemeinschaft eine halbkreisförmige Barriere aus allem errichtet, was gerade zur Hand gewesen war: Tische, Stühle, Kommoden und andere Möbelstücke, die wie Bergrücken aus dem Durcheinander ragten und wie die Töpfe und Eimer in den Lücken zwischen ihnen aus dem Supermarkt stammten. Hinter der Barriere tauchten Köpfe und die Läufe von Waffen auf. Wie viele Verteidiger dort in Stellung gegangen waren, ließ sich kaum abschätzen, aber mehr als zwei Dutzend Bewaffnete konnten es kaum sein. Dago hatte Recht, fand Benjamin. Gegen seine aus mehr als hundert Leuten bestehende und gut ausgerüstete Truppe hatten sie nicht die geringste Chance.
    Der Wagen hielt am Rand des Platzes, und die Streuner schwärmten aus, während fröhliche Musik aus den Lautsprechern drang, unterbrochen von Hinweisen auf Sonderangebote im Supermarkt.

    »Heute ist der Eins-neunundneunzig-Tag, nur noch wenige Stunden«, hieß es, als die Streuner Maschinenpistolen, ein MG, Gewehre und Panzerfäuste auf die Barrikade richteten, die plötzlich lächerlich fragil wirkte. »Zweihundert Gramm Parmaschinken, ein Sechserpack Premium-Bier, null Komma sieben Liter Merlot, jeweils nur eins neunundneunzig. Beachten Sie auch unsere ›Nehmen Sie drei und bezahlen Sie zwei‹-Angebote. Unser Golden-Globe-Team wünscht Ihnen einen angenehmen Einkauf.«
    Jasmin stellte den Motor ab, und sie stiegen aus.
    »Wir müssen irgendwas tun, verdammt!«, flüsterte Louise.
    »Was denn?«, erwiderte Benjamin ebenso leise und fühlte sich hilflos.
    »Klappe halten«, knurrte Alex und rammte ihm den Lauf seiner Beretta in die Seite. Er sah das Blitzen in Benjamins Augen. »Na los, mach was. Oder sag was. Gib mir einen Grund, dich zu erschießen, du Arsch.«
    Benjamin schwieg.
    Dago räusperte sich und rückte den Dreispitz auf seinem Kopf zurecht. »Wenn ich bitten darf, Jasmin …«
    Sie nickte ihm zu und trat einige Schritte vor. »Inzwischen habt ihr sicher erfahren, dass wir das Arsenal gefunden haben«, rief sie den Verteidigern hinter der Barrikade zu, während wieder Musik aus den Lautsprechern auf dem Parkplatz kam. »Wir sind euch weit überlegen und könnten uns einfach nehmen, was wir wollen. Aber General Dago ist sehr großzügig und gibt euch Gelegenheit, eure Waffen niederzulegen und zu gehen, ohne dass jemand von euch zu Schaden kommt.«
    »Wer ist General Dago?«, ertönte es hinter der Barriere.

    Dago trat vor und schwenkte den Dreispitz mit der linken Hand. In der rechten hielt er immer noch die Uzi, deren Magazin er im Wagen gewechselt hatte. »Meine Wenigkeit«, antwortete er. »Ich bin befördert worden.«
    Hinter der Barriere tauchte ein Kopf auf, mit Farbflecken im Gesicht. Velazquez, dachte Benjamin. »Du hast hier nichts verloren, Dago. Der Supermarkt gehört uns.«
    »Ja, genau«, bestätigte Dago. »Uns. Er gehört uns. Es freut mich, dass du das einsiehst. Wenn ihr nun so freundlich wärt, eure Waffen niederzulegen und hinter dem lächerlichen Ding da hervorzukommen … Niemand wird euch ein Haar krümmen, mein Ehrenwort als General.«
    Benjamin hörte, wie Jasmin sagte: »Sie könnten dir eine Kugel verpassen, Dago. Ihre Waffen sind nicht annähernd so gut wie unsere, aber wenn jemand von ihnen ein einigermaßen ordentliches Gewehr hat und gut genug zielen kann …«
    »Sie werden es nicht wagen«, erwiderte Dago unbekümmert. »Und wenn doch … Es ist nicht weit bis zum Hospital. Selbst wenn es mich erwischt … Ich wäre morgen früh wieder auf den Beinen, meine Liebe.«
    Sie sind verrückt, dachte Benjamin nicht zum ersten Mal. Ich bin von Verrückten umgeben.
    Hinter der Barrikade bewegten sich Köpfe – die Verteidiger schienen zu beratschlagen. Unterdessen verkündete der Supermarkt: »Unsere Heimwerkerabteilung sagt Ihnen heute : Machen Sie Nägel mit Köpfen! Komplette Pavillons aus erstklassigem

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