Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
Einbruchstelle gebildet. Dem Stabschef der Division habe ich telefonisch darüber Meldung gemacht, weiß jedoch, dass sie mir nicht helfen können, und beschließe, alles zu tun, was in meiner Macht steht. Irgendwie hat Gurtjew unser Telefongespräch mitgehört und fragt mich sofort, was los sei. Helfen kann er mir nicht, er sagt: »Überlege, was man tun kann, aber du weißt, dass ich nichts habe, ich sitze allein da und kann dir nichts geben.«
Er ist in Maßen streng, kultiviert streng, würde ich sagen. Er ist äußerst taktvoll in seinen Forderungen, und diese anspruchsvolle Strenge verbindet sich eindrücklich mit scharfsichtiger Überzeugtheit. Damit verschafft er sich Achtung und Sympathie. Nie hebt er die Stimme.
Das Personal hat eine sehr gute Meinung vom Divisionskommandeur. Wohin er auch kommt, er geht als Erstes zur Feldküche und fragt, wie viel Lebensmittel da sind und was es zum Mittagessen geben wird. Die Rotarmisten sagen dann: »Heute gibt es was Gutes. Der Generalmajor ist hier.« In Wirklichkeit aber bleibt das Essen so, wie es gekocht worden ist. Er fragte unseren Koch, wie er die Suppe einfülle. Der antwortete: zwei Finger breit bis unter den Rand. »Finger sind doch verschieden. Es gibt dicke und dünne. Füll du zwei dünne Finger breit bis unter den Rand ein.«
Positiv ist, dass er die Leute kennt, und nicht nur das leitende Personal, sondern auch die gemeinen Soldaten. Er besitzt ein ausgezeichnetes Gedächtnis, merkt sich alle Nachnamen. Er hat es gern, wenn alles in Ordnung und nach den Vorschriften ist. In Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften ist er ein sehr pedantischer Mensch.
Alle achten ihn wegen seiner Bescheidenheit und seines herzlichen Umgangs mit den Menschen in Verbindung mit anspruchsvoller Strenge und Kenntnis seines Metiers. Es gibt keine schlechte Meinung über ihn.
Regimentskommandeur Fugenfirow: Er ist ein außergewöhnlicher Mensch. Unser General schreit nie, schimpft nie, aber allein wenn er seinen Ton ändert, heißt das, dass man sich anstrengen und seinen Befehl besser erfüllen muss. Die Befehle des Generals sind immer erfüllt worden. Nicht nur die Kommandeure mögen ihn, sondern auch die Soldaten, die ihn gut kennen, weil er ständig die Truppen besucht. Er verschafft sich genaue Kenntnis vom Alltag der Soldaten, geht nie an der Küche vorbei, ohne zu probieren, was der Soldat zu essen bekommt, die Soldaten lieben ihn. Ich fuhr mal mit ihm zusammen im Auto. Er sprach so liebevoll von einem Soldaten. Er rügte und beschimpfte ihn wie ein abgebrühter Haudegen und sagte dann: »Aus dem wird mal ein guter Soldat, ein toller Krieger.«
Generalmajor Gurtjew: Wir alle bewahrten vollständig die Ruhe, und in den schlimmsten Augenblicken, wenn wir glaubten, es gäbe keinen Ausweg mehr, nahmen wir unsere Maschinenpistolen und waren bereit, bis zum Letzten zu kämpfen. Keinem kam in den Sinn, zu flüchten. Wenn wir auf die Wolga schauten, dann in Erwartung von Verstärkung und Nachschub an Munition. Jeder war sich seiner Pflicht bewusst. Von großer Bedeutung war auch, dass der Armeechef in unserer Nähe war. Die Kämpfer gingen oft am Ufer entlang, ohne Deckung zu suchen, und die Mädchen hatten immer einen Scherz auf den Lippen. Rundrum Granatwerferfeuer, sie aber saßen da und ruhten sich aus – Verwundete zu tragen ist schwer. Angsthasen wurden nicht gemocht. […] Eine Ärztin war wegen ihrer Nervosität sehr unbeliebt, aber sie war sehr fleißig und treu ergeben, saß die ganze Zeit auf dem Schlachtfeld und machte Verbände. Später schrieb sie mir einen Brief über ihre Eindrücke von der Versammlung und der Parade in Stalingrad, wo sie nach unserem Abzug geblieben war.
Oder nehmen Sie das Pionierbataillon. Es leistete seine eigentliche Arbeit und kämpfte außerdem mit uns, bewies beim Übersetzen über die Wolga Heldenmut. Auf diesen Kippelbooten wie den unseren war es auch unter ruhigen Verhältnissen schwierig, nachts die Wolga zu überqueren, aber diese Pioniere brachten Verwundete, Munition und Verstärkung im pausenlosen Bombenhagel rüber. Wir benützten allerdings auch einen anderen Übergang, anfangs gab es eine Fußgängerbrücke über die Wolga, aber sie wurde bald zerstört, und die Bootsleute halfen uns mit ihrer selbstlosen Arbeit beträchtlich. Sie wurden ausgezeichnet, ihr heldenhafter Einsatz wurde anerkannt.
Obersergeant Kokorina: Nach dem Krieg werde ich wohl in der Armee bleiben und auf die Militärakademie gehen. Jetzt bin ich
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