Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
die Stadt nicht kennt, ist es schwer, sich zu orientieren.
Ich kannte die Stadt, und meine Leute kannten sie größtenteils auch, aber die Neuen kannten die Stadt nicht.
Der Kampf begann. Wenn wir ein Haus einnahmen, machten wir 150 bis 200 Mann Gefangene. Der Gegner leistete erbitterten Widerstand. 200 Mann verteidigten ein Haus, 400 Mann von mir griffen an. Mit einem Wort, es wurde geballert. Am 30. haben sie sich unglaublich gewehrt. Ich betone, wir mussten jedes Haus einzeln nehmen.
Allerdings haben wir auch zur List gegriffen – haben Gefangene zurückgeschickt.
Ich habe alle Bataillonskommandeure ans Telefon gerufen, den Politstellvertreter. Hab ihnen den Auftrag gegeben: Gefangene, wenn ihr sie geschnappt habt, in kleinen Gruppen von 20 Mann zurückschicken. Wenn sich ein Haus nicht ergibt, und ihr habt hundert Gefangene gemacht – schickt 20 bis 30 Mann zurück. Das half.
Major Jegorow: Wir machten 1500 Mann Gefangene, suchten 20 Mann aus, sprachen ein bisschen mit ihnen und schickten sie zurück. Einzelpersonen, die in Gefangenschaft geraten waren, zwei, drei Leute, schickten wir zurück, wir sagten, dass wir sie einzeln nicht nehmen. Wenn ihr in Gefangenschaft wollt, holt eure Kameraden und kommt wieder. Ich muss sagen, das erbrachte Resultate, und zwar ziemlich gute. […] Im Zusammenhang mit der Anordnung der Politabteilung der Armee, den Abtransport der Gefangenen zu forcieren, wurde beschlossen, in der Nacht vom 29. auf den 30. Januar um 24 Uhr zum Angriff überzugehen. Oberstleutnant Winokur, Politstellvertreter des Brigadekommandeurs, und ich kamen vom Gefechtsstand und trafen zu dem Zeitpunkt ein, als der Keller des Kaufhauses, der als Lazarett diente, gerade besetzt worden war. Es gab da ein halbes Hundert Verwundete, Kranke, Leute mit Erfrierungen. Majore waren da, Hauptleute. Ein Major bat um meinen Revolver, um Selbstmord zu begehen, vermutlich so ein hundertprozentiger.
Die Soldaten sind in Hochstimmung. Am 30. Januar wurde der Bahnhof eingenommen. Bei der Überprüfung der Kampfbereitschaft unserer Einheiten haben wir festgestellt, dass sie angemessen vorbereitet wurden, die Männer sind bereit zu kämpfen, sie brennen darauf. Es herrscht die absolute Überzeugung, dass die Aufgabe, die für den morgigen Tag gestellt ist, erfüllt wird.
Zu Paulus gibt es übrigens keine Nachrichten. Man verfügte über Nachrichten, dass Paulus angeblich abgeflogen sei. Später, als die Gefangenen schockweise zu uns kamen, erzählten die Offiziere, Paulus sitze mit seiner ganzen Suite irgendwo im Keller. Das hatte natürlich seine Wirkung auf unsere Soldaten und Kommandeure. Man hätte ihn gerne gefangen genommen. Eine Gruppe von etwa zweitausend Gefangenen wurde hergebracht und ins Gebiet unseres Gefechtsstandes geführt. Dort wurden sie durchsucht, aufgeteilt, die Offiziere wurden aussortiert. Diese Gruppe bekräftigte, dass Paulus hier sei.
Generalmajor Burmakow (Kommandeur der 38. Schützenbrigade): Mit einem Wort, Kämpfe, Kämpfe, Kämpfe. Am Abend [des 30. Januar] wurde mir übermittelt, dass die Gebäude des Gebietskomitees und des Stadttheaters und die angrenzenden Häuser, die wir bereits blockierten, bereit seien, mit uns über die Kapitulation zu verhandeln, aber bäten, bis sechs Uhr morgens zu warten. Das überbrachte mir Iltschenko. Ich sagte: »Unverzüglich anfangen!« Und schickte wieder jemanden dorthin. Sie weigerten sich. Ich fragte mich, was da los war. Sie baten, die Verhandlungen bis vier Uhr morgens zu verschieben.
»Gebt ihnen Zeit bis vier Uhr morgens!«
Und ich dachte, das wäre eine Möglichkeit, sich hinzulegen, denn in der Nacht vom 28. auf den 29. hatten wir nicht geschlafen. Am 29. gekämpft, in der Nacht auf den 30. gekämpft, man muss die Leute wenigstens etwas ausruhen lassen, die menschlichen Kräfte sind ja begrenzt.
Generalleutnant Schumilow rief an: »Quadrat 101 ist besetzt. (Das war das Quadrat, wo Paulus saß.) Da sitzt Denissenko!« Ich hielt es nicht mehr aus und sagte: »Genosse General, ich bitte darum, meine Unterhändler schicken zu dürfen.«
Ich ging selber raus, kontrollierte die Situation.
Denissenkos Leute waren 100, 200 Meter links hinter mir. Wie sollten die Quadrat 101 besetzt haben? Der Nachbar rechts war in Quadrat 100 eingedrungen. Ich dachte, sie konnten Quadrat 101 nicht eingenommen haben. Und wenn doch, dann konnten die Gebäude umso besser beschossen werden.
Generalmajor Denissenko (Kommandeur der
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