Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
Komsomolzin war.
General Tschuikow (»Wir graben uns in den Staub ein, aber sie arbeiten wie die Teufel«) und andere in Stalingrad interviewte Kommandeure und politische Offiziere lobten den Einsatz der in der Armee dienenden Frauen, und sie bescheinigten ihnen zuweilen mehr Ausdauer als den männlichen Soldaten. Wovon sie nicht sprachen und was Gurowa nur andeutete, war der schwere Stand von Frauen in der Roten Armee, die nicht nur buchstäblich ihren Mann stehen mussten, sondern dabei auch mit den sexuellen Übergriffen insbesondere ihrer Vorgesetzten fertigwerden mussten. Einmal mehr verinnerlicht Gurowa hier die männliche Perspektive: Sie wirft einigen Krankenschwestern in ihrer Einheit vor, sich nicht korrekt zu verhalten und Männer zu verführen, während die Machtverhältnisse in der Regel umgekehrt waren. Vor diesem Hintergrund betont Gurowa auch die Pflicht eines jeden Kriegsteilnehmers, seine »moralische Gestalt« zu bewahren. Diese Haltung mache den Menschen erst zum Menschen.
Stolz spricht die Krankenschwester von der Auszeichnung »Für Verdienste im Kampf«, die sie für die Verteidigung von Kiew erhielt. Männliche Soldaten, die Rotarmistinnen mit dieser Auszeichnung sahen, hatten eine andere Bezeichnung parat: »Für Verdienste im Bett«. [597] Zum Kriegsende hin wurden die pauschalen Vorwürfe gegen Frauen in der Roten Armee lauter. Rotarmistinnen, die eine Liaison mit Offizieren eingingen, firmierten als Feldzugfrauen, im Russischen abgekürzt PPSch, [598] dieselbe Abkürzung, unter der die sowjetische Maschinenpistole bekannt war. Die Zweifel an ihrer moralischen Integrität erschwerten vielen demobilisierten Rotarmistinnen die Reintegration ins Zivilleben nach dem Krieg. Häufig führte es dazu, dass Veteraninnen ihre Kriegserinnerungen selbst im Familienkreis nicht mitteilten. [599]
Über das weitere Schicksal Vera Gurowas ist nichts bekannt.
Stenogramme
der an der Stalingrader Front geführten Gespräche über die Verteidigung Stalingrads
Stalingrad, 7. 1. 1943
Das Gespräch führt der wissenschaftliche Sekretär A. A. Belkin, es stenographiert A. I. Schamschina
62. Armee
13. Garde-Schützendivision
Krankenschwester Vera Leontjewna GUROWA
Geboren 1920. In Kriwoi Rog, Gebiet Dnjepropetrowsk, Ukrainerin. Ausbildung am medizinischen Technikum in Kriwoi Rog, freiwillig an die finnische Front gegangen. Ich bin Operationsschwester von Beruf. Arbeitete dort als Operationsoberschwester. Für den finnischen Feldzug erhielt ich die Medaille »Für Verdienste im Kampf«, für Kiew den Rotsternorden. Den zweiten Rotsternorden erhielt ich in dieser Division von Oberst Wawilow. Ich wurde auf Erlass der Don-Front für das Gefecht bei Tim [600] ausgezeichnet.
Bei Kiew war es schwer, aber nicht so schwer wie bei Stalingrad. Wir arbeiteten, als um uns herum Minen und Granaten explodierten, als es nur so Kugeln hagelte, da machten wir komplizierte Operationen. Ich arbeite im Sanitätsbataillon. Bei Kiew waren die Arbeitsbedingungen nicht so schwer. Wir standen dort in einem großen Krankenhaus, auch dort erreichten uns Granaten, aber sie störten uns nicht so wie hier. Hier sind in 24 Stunden 600 bis 700 Verwundete durchgekommen. Wir mussten rund um die Uhr arbeiten. Der Raum lag die ganze Zeit unter schwerem Beschuss. Das Sanitätsbataillon war im Gehöft Burkowka jenseits der Wolga in der zweiten Kolonne untergebracht, hier befand sich nur der vorgeschobene Verbandsplatz. Ich war dort, jetzt bin ich hier zur Ablösung eingetroffen, weil es dort weniger Arbeit gibt.
Alle komplizierten Operationen wurden dort durchgeführt, in einer ruhigeren Situation.
Man durfte keinen Verwundeten operieren und ihn 4–6 Tage hierbehalten. Jetzt ist es hier ruhig, es gibt nur wenig Verwundete, aber damals hatten wir sehr viele.
Es handelte sich meist um Splitterverwundungen von Minen, Granaten und Bomben. Bei Stalingrad hatten wir in den meisten Fällen Splitterverwundungen. Vorher, als wir noch gegenüber von Charkow standen, spielte unser vorgeschobener Verbandsplatz eine geringere Rolle, weil wir die Verwundeten schnell ins Sanitätsbataillon schaffen konnten, um ihnen zu helfen, doch bei Stalingrad spielte dieser vorgeschobene Verbandsplatz eine sehr große Rolle. Die Verwundeten wurden hier am Bauch operiert und eine Weile dabehalten. Sie hätten sterben können, während wir sie ins Sanitätsbataillon brachten. Sie wurden auf Tragen transportiert.
Angesichts der schlechten
Weitere Kostenlose Bücher