Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
Alle meine Freunde zogen woandershin, ich blieb allein. Dann fanden sich neue Freunde, und ich verkehrte wieder in Kneipen.
Ich liebte meine Mutter sehr, meinen Vater nicht. Ich liebte meinen kleinen Bruder. Sie beeinflussten mich. Am meisten liebte ich ein Mädchen aus dem Medizinischen Institut. Sie liebte mich auch, stellte mir jedoch die Bedingung, dass ich mein bisheriges Leben aufgeben müsse. In Odessa wurde ich jetzt Saschka Blot genannt. Danach beschloss ich, mein bisheriges Leben aufzugeben, und begann zu studieren. Im Institut war ich unter den Besten, ich hörte auf zu stehlen, aber die alten Freunde halfen mir. Es kam vor, dass ich zu ihnen ging und sie bei einem hemmungslosen Gelage antraf, doch ich war gebunden. Aber ich liebte dieses Mädchen und beschloss, mit ihnen Schluss zu machen.
1938 ging ich freiwillig zur Armee. Ich bewarb mich zur Panzertruppe, wurde jedoch wegen meines Alters dort nicht aufgenommen, sondern dem 128. örtlichen Schützenregiment zugeteilt. Ich diente ein Jahr als Soldat im Kaderdienst und absolvierte die Regimentsschule. Dann wurde ich Abteilungskommandeur. Danach wurden die Leute mit Abschluss der höheren Schule und abgebrochenem Hochschulstudium auf Befehl des Volkskommissars auf die Militärfachschulen geschickt. Ich wollte an die Fliegerschule. Stellte den Antrag, alles wurde bestätigt. Damals hatte ich den Auftrag, die Gruppe in die 1. Kiewer Artillerieschule zu begleiten. Dort gefiel es mir, und ich blieb. Ich schloss diese Schule ab und blieb dort anschließend als Zugführer. Als Angehöriger des Militärschülerregiments marschierte ich am 22. Juni (1941) um 9 Uhr abends an die Front aus.
Wir lagen in Rschischtschew [608] in Lagern. Auf den Salut hin – drei Kanonenschüsse – marschierten wir an die Front. (Vor dem Ausmarsch an die Front herrschte große Begeisterung.) Am 26. beschossen uns zum ersten Mal feindliche Flugzeuge. Dort war ein großer Wald, wir verließen die Straße und gingen in Deckung. Wir hatten wenige Opfer, 10 Verwundete im Regiment. Große Schädigungen gab es nicht. Besonders große Schädigungen erhielt ich im Dorf Schuljany, [609] als der Feind dicht herangekommen war. Ich war damals Kommandeur des 1. Feuerzugs. Ich habe sehr viel durchgemacht, aber Feigheit gab es nicht. Ich fürchtete, dass ich vor meinen Untergebenen Feigheit zeigen könnte. Dieses Gefecht endete für uns erfolgreich, der Feind wurde zerschlagen.
Die Deutschen waren damals aufdringlich. Meine Batterie schoss aus kurzer Distanz auf sie, wir schossen mit der Kartätsche auf die Deutschen. Ich wurde verwundet. Nach dem Gefecht erhielt ich den Leutnantsrang, als ich von Kiew nach Krasnojarsk ausreiste. Wir standen drei Monate im Gefecht. Unser Regiment wurde durch andere Truppen entsetzt. […] Seit August (1942) bin ich Kompaniechef in dem Panzerbüchsenregiment, mit dem ich an die Front gefahren bin.
Meine Batterie habe ich ausgebildet, als ich im Hinterland war. Ich härtete sie ab, es gab Nachtübungen, wir machten Nachtmärsche, marschierten 100 Kilometer durch unebenes Gelände, Sumpf, Wasser usw. Die Inspektionsprüfung wurde durchgeführt. Beim Gefechtsschießen schnitt die Batterie »sehr gut« ab.
Dass die Brigade in Garderegiment umbenannt wurde, war für mich eine große Freude, erstens, weil das Regiment, das nicht … [Wort fehlt] war, den Ehrentitel Garde bekam, und zweitens, weil wir nach Stalingrad fuhren, wo meine Mutter und meine Schwester lebten.
Am 5. August 1942 fuhren wir an die Front. Die Kompanie war aus drei Zügen zusammengestellt. Den ersten Zug befehligte Unterleutnant Kanonetko, den zweiten Mjasnikow, den dritten Kopejkin, der am Bein verwundet war. Stellvertretender Kompaniechef war Unterleutnant Nowoschizki, Politruk der Kompanie war Gerassimow [610] . In dieser Zusammensetzung fuhren wir an die Front. Unterwegs wurde Unterricht abgehalten; die Gespräche führte Gerassimow, die militärische Ausbildung leiteten ich und mein Stellvertreter.
Am 10. wurden wir in Stalingrad ausgeladen. Nach dem Ausladen aus dem Transportzug marschierte die Kompanie nach Gawrilowka, wo wir uns eingruben und Verteidigungsstellung bezogen. Das erste Gefecht begann am 21. August. Ich nahm die Zeitungen von Politruk Gerassimow entgegen und fuhr die Abteilungen ab, um sie zu verteilen und Gespräche zu führen. Noch bevor wir beim 2. Bataillon angekommen waren, wurden zwei von unseren Fahrzeugen mit dem MG bewegungsunfähig
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