Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)
bisschen am Flussufer spazieren gehen. Die Stadt wurde der Schifffahrt wegen hier erbaut, und als Seemann wird dich das vermutlich interessieren.«
Sie hatte recht, es interessierte ihn. Und vielleicht würde eine Besichtigung des Hafens ihn von den Gedanken an David Lisle ablenken. Nikolai entspannte sich, als sie zum Wasser hinuntergingen und dann an der Themse entlangspazierten. Sie waren unbeschadet durch die Zeit gereist und hatten ihre erste Aufgabe erfolgreich hinter sich gebracht. Sie hatten nicht nur Jonathan Strongs Leben und seine Freiheit gerettet, sondern auch geholfen, ein Bindeglied in der Kette der Freiheit zu erzeugen. Das war gar kein schlechtes Tagewerk.
Nikolai hatte schon viele Häfen gesehen, und der Londoner war ganz ähnlich und zugleich doch völlig anders. Obwohl er an einem Fluss im Landesinneren lag, war er einer der belebtesten Häfen, die Nikolai je besucht hatte. Große Ozeanschiffe luden und entluden neben robusten Küstenschiffen, und kleinere Fähren mit Passagieren und Waren tuckerten in beiden Richtungen über die Themse.
Die vertrauten Anblicke und Geräusche erfreuten Nikolai. Und auch das Licht, das hier viel kühler und klarer war als unter der grellen Mittelmeersonne, faszinierte ihn.
In westlicher Richtung gingen sie weiter und hatten die London Bridge schon überquert, als sie von einem jungen Marineoffizier angesprochen wurden. »Sie sehen aus wie ein Seemann«, sagte der Offizier verdächtig freundlich. »Sind Sie allein hier?«
»Wieso fragen Sie?«, entgegnete Nikolai erstaunt.
Jean drückte warnend seinen Arm. »Er ist Ausländer, Leutnant«, erklärte sie dem Offizier. »Malteser.«
Der Leutnant warf einen Blick auf ihren Ehering. »Aber Sie sind Britin, Madam. Ich kann den schottischen Akzent in Ihrer Stimme hören. Ein mit einer Britin verheirateter Ausländer kommt infrage für den Dienst.« Er wandte sich an Nikolai. »Haben Sie einen Befreiungsschein?«
Nikolai runzelte die Stirn. »Was zum Teufel ist ein Befreiungsschein?«
Das war definitiv die falsche Frage. »Da Sie keinen Befreiungsschein vorweisen können, rekrutiere ich Sie für den Dienst in der Königlichen Marine.« Der Offizier gab ein Zeichen, und zwei stämmige Männer hinter ihm traten vor, die aussahen wie Hafenpöbel und dunkelblaue Bänder an ihrem rechten Arm trugen.
»Was reden Sie da?«, fauchte Nikolai.
Jean stellte sich zwischen ihn und den Offizier. »Sie machen einen Fehler, Sir. Dieser Mann ist nicht mein Ehemann, und daher hat die britische Marine kein Recht, ihn zwangszurekrutieren.«
»Das behaupten alle Ehefrauen«, entgegnete der Leutnant höhnisch. »Ich kann ihn sehr wohl mitnehmen, und es ist seine Aufgabe, das Gegenteil zu beweisen. Falls er Einwände hat, kann er ja den maltesischen Konsul um Hilfe ersuchen. Und jetzt kommen Sie schon mit.« Die Handlanger des Offiziers näherten sich drohend.
Nikolai fürchtete die Männer nicht, aber vielleicht wäre es nicht so gut, sie mit Magie außer Gefecht zu setzen. Während er noch überlegte, was er tun sollte, überreichte Jean dem Offizier diskret eine Hand voll Gold. »Sie wissen, dass Sie nur erfahrene Männer rekrutieren sollen. Mr. Gregory ist weder jemand aus dem einfachen Volk noch ein fähiger Seemann, und ein Brite ist er auch nicht. Also suchen Sie woanders.«
Der Leutnant betrachtete das Gold und versuchte, die Höhe der Bestechung abzuschätzen. »Sie haben recht, Ma'am. Wenn er kein Seemann ist, können wir ihn nicht nehmen. Tut mir leid, Sie belästigt zu haben.« Er steckte das Geld ein, versammelte seine Männer um sich und ging.
»Sie wollten mich gewaltsam mitnehmen und mich als Seemann arbeiten lassen?«, fragte Nikolai ungläubig. »Ich dachte, es gäbe keine Sklaverei in England!«
»Bis auf die Seeleute, die von der Königlichen Marine gebraucht werden«, entgegnete sie trocken. »Die Rekrutierungstrupps sollen nur qualifizierte Seemänner nehmen, aber darauf achten sie nicht immer. Ein Befreiungsschein ist ein Dokument, das besagt, dass du nicht zum Marinedienst gezwungen werden kannst. Normalerweise haben ihn Männer mit Geld, doch der Himmel stehe ihnen bei, wenn ein Rekrutierungstrupp sie erwischt, wenn sie diesen Schein nicht bei sich haben.«
»Also hast du ihn bestochen, damit er mich in Ruhe lässt?«
»Das schien mir die einfachste Lösung zu sein«, erwiderte sie ehrlich.
Nikolai fluchte in verschiedenen Sprachen, einschließlich Maltesisch, das er sich immer für besonders großen
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