Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
Vom Netzwerk:
nur: »Ihr kanntet den Kapitän des anderen Schiffes?«
    »Oh ja«, erwiderte Nikolai leise. »Ich kannte ihn sogar sehr gut.«
    Sie warf ihm einen mutwilligen Blick zu. »Tut mir leid, dass ich Euch des Vergnügens beraubt habe, ihn zu töten«, sagte sie mit erschreckend sicherem Gespür. »Wer war der Angreifer in diesem Kampf?«
    »Er. Und genau das hatte ich mir gewünscht.« Sie erreichten die Reling. Obwohl die beiden Schiffe so dicht nebeneinanderlagen, dass ihre Rümpfe sich berührten, war es immer noch riskant, auf das Deck der Galeere hinunterzuspringen. Nikolai kalkulierte das Auf und Ab der Schiffe, bevor er sprang.
    Als er sich umdrehte, sah er, dass Jean zögerte, während sie den Abstand zwischen den Schiffen abschätzte. Für eine kleine Frau wie sie war das Risiko noch größer, und deshalb streckte er ihr die Hand hin. »Kommt.«
    »Nicht nötig.« Ihre Muskeln spannten sich sichtlich an, als sie zum Sprung ansetzte.
    »Wenn Ihr ausrutscht und fallt, werdet Ihr zwischen den Schiffen zermalmt«, sagte Nikolai ungeduldig. »Also nehmt gefälligst meine Hand.«
    Widerstrebend gehorchte sie. Als ihre Hände sich berührten, kam es zu einem Energieschub zwischen ihnen, den nicht nur er verspürte. Die kleine Hexe war bei Weitem nicht so kühl, wie sie erschien. Obwohl sie den Krieg erlebt hatte, war sie keine abgebrühte Kämpferin. Ihre grimmige Entschlossenheit, sich hart und feindselig zu geben, war seltsam liebenswert.
    Sie sprang auf das Deck der Galeere und wäre fast gestürzt, als das Schiff nach vorne kippte. Nikolai stützte sie, bis sie das Gleichgewicht zurückgewann.
    »Danke«, sagte sie und entzog ihm schnell die Hand. Entnervt von dem Energiestoß zwischen ihnen, trat Nikolai zurück. Vielleicht sollte er sie um seines eigenen Seelenfriedens willen freilassen. Oder sie an die Haie verfüttern. Aber für einen solch widerborstigen Bissen würden ihm vielleicht nicht einmal die Haie dankbar sein.
    Nikolais erfahrene Besatzung räumte bereits die Überreste des Kampfes weg. Die Toten wurden an einer Seite der Reling aufgestapelt. Die meisten waren Muslime, und für sie würden die zeremoniellen Worte ihrer Religion gesprochen werden, bevor sie der See übergeben wurden. Die überlebenden Piraten kauerten unter Bewachung am Heck des Schiffes. Ihre unglücklichen Mienen verrieten, dass sie von Nikolai und der Justice gehört hatten.
    Das Schmettern von Hammer und Meißel auf Eisen verriet, dass der Schmied des Schiffes schon dabei war, die Ketten der Galeerensklaven zu entfernen. Andere Besatzungsmitglieder verteilten kleine Portionen Brot, Käse und Bier unter den Sklaven, die sich hungrig darüber hermachten. Ruderer erhielten selten mehr zu essen, als unbedingt erforderlich für ihre Arbeit war. Später würden sie etwas Besseres bekommen, aber Nikolai wusste aus Erfahrung, dass es sie nur krank machen würde, ihnen jetzt zu viel auf einmal zu geben.
    Die meisten der Ruderer waren Europäer, doch es befanden sich auch ein paar Afrikaner unter ihnen. Einer der ersten Freigelassenen erhob sich schwankend von seiner Bank, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und reckte und streckte sich, als er sich endlich wieder frei bewegen konnte. Er trug nur einen Lendenschurz, und unter seiner sonnenverbrannten Haut waren ausgeprägte Muskelstränge zu erkennen. Der Mann strahlte vor Freude. »Gott segne Euch, Kapitän«, sagte er auf Französisch. »Was werdet Ihr jetzt mit uns tun?«
    »Er wird sie für einen guten Profit verkaufen, die armen Teufel«, murmelte Jean.
    Nikolai sah sie aus schmalen Augen an. »Ach ja? Dann passt mal auf und lernt«, sagte er und nahm ihr den Entersäbel aus der Hand. »Aber holt zuerst Euer Messer.«
    Mit dem Gefühl, in eine andere Welt gestürzt worden zu sein, bahnte sich Jean einen Weg zwischen den Ruderern zu dem zusammengesunkenen Körper des toten Piraten-Kapitäns. Einige der befreiten Sklaven gafften sie ganz unverhohlen an, als sie sahen, dass sie eine Frau war, wagten aber nicht, etwas zu sagen. Essen und Freiheit waren jetzt wichtiger als alles andere.
    Das prachtvolle Gewand aus rotgoldenem Brokat des Reis war blutdurchtränkt, und Jeans Messer steckte noch in seiner aufgeschlitzten Kehle. Seine dunklen Augen starrten blicklos zu seiner Mörderin auf, als Jean sich bückte, um ihre Waffe wieder an sich zu nehmen. Während sie sich zu einer ausdruckslosen Miene zwang, zog sie den Dolch heraus und wischte das Blut an dem Hermelinbesatz des kostbaren

Weitere Kostenlose Bücher