Die steinerne Pforte
Prinzip würde es funktionieren. Man müsste nur noch eine Rakete konstruieren, die schneller ist als das Lichtsignal, das hieße, die mit mehr als Lichtgeschwindigkeit fliegen kann. Wie du weißt, ist das die höchste Geschwindigkeit, die wir im Universum kennen. In die Praxis lässt sich unser Experiment also nicht umsetzen. Anders gesagt, Faulkner, da du die Zeit nicht um eine Woche zurückdrehen kannst, wirst du dich leider mit deiner Note zufriedengeben müssen!«
Samuel nickte, auch wenn er nicht alles bis ins Detail verstanden hatte. Vor allem verkniff er sich, Mr Maverick zu sagen, dass sich die besagte Rakete im Keller der Buchhandlung Faulkner befand und dass sie aussah wie ein prähistorischer Kaugummiautomat!
Nach dem Mittagessen konnte Samuel in Miss Delaunays Kunstkurs zwei entspannte Stunden genießen. Endlich ein Fach, in dem er sich wohlfühlte und das Gefühl hatte, etwas zu schaffen, das wirklich mit ihm selbst zu tun hatte . . . Einen Baum auf die Leinwand zeichnen, spüren, wie sich die Blätter unter seinem Kohlestift bewegten, sehen, wie die Rinde unter seinen Pinselstrichen immer dicker wurde, wie die Farben, geschmeidig und leuchtend, dem Material mit einem Mal Leben verliehen, das war genau das, was ihn glücklich machte!
»Nicht schlecht, Sam!«, lobte Miss Delaunay. »Nimm noch einen Tropfen mehr Terpentin, dann lässt sich die Farbe leichter verarbeiten. Aber du hast wirklich Talent! «
Das einzige Lob des ganzen Tages.
Die nächste Stunde, der Literaturunterricht, bestand aus einem einzigen geschwollenen Gefasel zu einem, offen gesagt, ziemlich platten Gedicht. Samuels Kopf war dicht vor dem Zerspringen. Er betete nur, dass sie es möglichst schnell hinter sich bringen würden – dass dieser Typ im Gedicht, anstatt weinerliche Verse über seine Angebetete abzusondern, vielleicht ins Kino oder zum Bowling ging, um auf andere Gedanken zu kommen.
Als es endlich zum Schulschluss klingelte, schnappte er sich sein Skateboard und stürzte zum Ausgang. Endlich Luft, Sauerstoff! Keine Mauern mehr, keine Fenster! Kein Simon mehr, keine Maddy!
Er ließ sich auf dem Gehweg Richtung Bushaltestelle rollen, ohne auf die Freunde zu achten, die ihn im Vorbeifahren grüßten. Er wollte allein sein.
Als er an der großen Kreuzung um die Ecke bog, brach ihm plötzlich der kalte Schweiß aus. Am Bushaltestellenschild lehnte Monk, zwei seiner Helfershelfer an der Seite. Samuel wollte unversehens kehrtmachen, aber da war Monk bereits bei ihm.
»Faulkner!«, bellte er und sprang mit erstaunlicher Schnelligkeit auf ihn los. »Du kleine miese Ratte!«
Seine Hand, die mindestens zweimal so groß war wie Sams, hielt ihn umklammert wie ein Schraubstock.
»Auf dich habe ich gewartet, Faulkner!«
»Du hast auf mi. . . mich gewartet?«, stotterte Sam.
»Hast du meine zwanzig Dollar?«
»Deine was?«
»Meine zwanzig Dollar . . . für die Platinen neulich.«
»Aber nein, aber ich . . .«
Aus den Augenwinkeln heraus sah er Monks riesige, bedrohlich geballte Faust, die ungeduldig zuckte. Seine beiden Gehilfen musterten Sam genüsslich und warteten nur auf den Moment, in dem ihm dieser Fleischberg die Nase plätten würde.
»Dann wirst du eben mit deinen Zähnen bezahlen. Ich habe dich gewarnt. . .«
Von den Passanten hinter ihnen machte niemand Anstalten einzugreifen, und die, die auf den Bus warteten, waren in ihre Zeitungen vertieft.
»Aber Monk«, wagte Sam einen Vorstoß, »das . . . das wirst du doch nicht machen, oder? Denk an den Wettkampf nächsten Samstag! Wenn Meister Yaku erfährt, dass du mir außerhalb der Matte eine verpasst hast. . .«
»Wer sollte ihm das denn erzählen, du etwa?«, konterte Monk hämisch und sah noch bedrohlicher aus. »Nein, aber nehmen wir mal an, ich könnte nicht kommen und müsste meine Meldung zurückziehen. Wegen . . . na, du weißt schon, ein Unfall ist schnell passiert! Er wird eine Erklärung von mir verlangen, und ... du verstehst schon, was er immer sagt: ›Niemals grundlose Gewalt, niemals die Selbstkontrolle verlieren! Setzt eure Energie nur auf der tatami ein ! ‹ «
Samuel war sich nicht sicher, ob es funktionieren würde, aber es war die einzige Munition, die er hatte. Und Monk hatte schon immer grenzenlose Bewunderung für Meister Yaku an den Tag gelegt.
»Auf der tatami, soso?«, kam es etwas zögernd zwischen den dicken Lippen heraus.
Plötzlich löste sich der Stahlgriff, und ein verschlagenes Glitzern trat in Monks Blick.
»Okay, Ratte. Wir
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