Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
nicht eine einzige Nacht überstehen konnte. So fand man auch Nan am Morgen nach ihrer Verhaftung erfroren in einer
Ecke liegen, was man natürlich auf ihr Bündnis mit den Geistern schob, die sie errettet hatten, noch bevor sie auf der Folter die Namen weiterer Komplizen hatte preisgeben können.
Mary hatte am Mittag von Nans Tod erfahren und lief noch am frühen Abend im Schutz der Dämmerung nach Marmalon, um Frederic zu berichten, was geschehen war und ihn erneut zu beschwören, die ganze Angelegenheit, in die er sich hatte verwickeln lassen, so schnell wie möglich zu beenden.
Zu ihrer Verwunderung, ihrem Schrecken, aber schließlich auch ein wenig zu ihrer Beruhigung, traf sie niemanden in Marmalon an, weder Frederic noch den Priester. Der Hof lag wie ausgestorben unter schmutzigen, vereisten Schneeresten, kein Rauch stieg aus dem Schornstein, in den Ställen standen keine Tiere. Die Tür war verschlossen. Mary kratzte das Eis von den Fenstern und spähte ins Innere des Hauses, aber nichts regte sich. Im ersten Augenblick dachte sie voller Entsetzen, Frederic sei bereits verhaftet worden, aber dann befahl sie sich, ihren Verstand zu gebrauchen. Nach allem, was sie je gehört hatte, hinterließen die Soldaten des Königs ein überfallenes Gehöft niemals in diesem Zustand. Nirgendwo konnte sie die Spur eines Kampfes entdecken, weder Blut noch zerfetzte Kleidungsstücke oder zerbrochene Waffen. Es gab keine Asche, keine umgeschlagenen Bäume, keine zerbrochenen Türen. Hier hatte es keinen Überfall gegeben. Viel wahrscheinlicher war, daß Frederic von Nans Verhaftung gehört hatte und samt dem Priester und seinen Tieren in ein anderes Versteck gewechselt war. Gott mochte wissen, wo sich dieses befand. Mary ging noch einmal um den ganzen Hof herum, konnte aber nicht die Spur von Leben entdecken und machte sich schließlich im wieder einsetzenden Schneefall auf den Heimweg.
Die nächsten zwei Tage verrannen mit zäher Langsamkeit. Es wurde noch einmal sehr kalt und schneite einen Tag und eine Nacht hindurch. Mary konnte morgens kaum ihr Fenster öffnen, so hoch türmte sich der Schnee davor. Eine Woge von eisiger Kälte strömte ins Zimmer, dichte graue Wolken hingen tief über den Häusern. Der Sonne gelang es nicht, den Nebel zu durchbrechen, und der Tag verharrte in trübem Licht. Mary mußte schon am frühen Nachmittag
Kerzen anzünden, als sie in der Küche arbeitete. Um sich abzulenken, kochte sie ein aufwendiges Essen, das sie sich eigentlich gar nicht leisten konnten, hackte draußen das Eis auf dem Brunnen auf, schleppte Wasser nach drinnen, wärmte es auf dem Feuer und schrubbte die ganze Küche. Ihre Hände wurden rot und hart und bekamen Risse, ihre Haare hingen ihr aufgelöst über die Schultern, und ihre Füße taten weh, aber sie arbeitete mit unvermindertem Schwung. Ambrose und Edward hatten sich schon vor einigen Stunden ins Oakwood House begeben, so daß sie wenigstens allein war. Als sie sich endlich erschöpft aufrichtete, sah sie durch das Fenster, daß die Nacht hereingebrochen war. Sie erhob sich und spähte hinaus. Die Wolken hatten sich verzogen, der schwarze Himmel war frostklar und voller Sterne.
Gott, ist das eine kalte Nacht, dachte sie schaudernd, hoffentlich hat Frederic es warm, wo auch immer er ist!
Im gleichen Moment wurde an die Haustür geklopft. Mary erschrak. Für Ambrose und Edward war es noch zu früh. Sie lief, um zu öffnen, und zu ihrem Erstaunen war es Bess, die eintrat. Sie hatte ein großes, wollenes Tuch um Kopf und Schultern gelegt, und ihre schmalen grünen Augen blitzten.
»Wie gut, du bist zu Hause«, sagte sie, »ich habe Neuigkeiten.«
»Komm doch herein«, bat Mary, eher höflich als herzlich, »was für Neuigkeiten?«
Bess trat ein und schüttelte sich. »Du glaubst nicht, wie kalt es draußen ist! Wenn ich daran denke, daß die armen, fetten Mönche jetzt durch den Schnee irren und sich verzweifelt fragen, was sie nur falsch gemacht haben, daß der liebe Gott sie so straft...«
»Was?«
»Es sind Leute von anderen Dörfern hier vorbeigekommen heute, auf der Flucht, weil sie nicht wissen, was noch alles geschieht. Sie haben erzählt, daß ein Kloster, nur zwei Stunden von uns, brennt, in hellen Flammen, und so manches Gehöft auch. Ein paar Nonnen haben sie aufgehängt, einen Priester ersäuft, einen im Schnee vergraben. Ich glaube...«
»Weshalb denn das?«
Bess streckte ihre klammen Finger gegen den warmen Küchenofen
hin. »Wohl um zu zeigen,
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