Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
»Sie lieben mich doch nicht. Sie sind durcheinander, das sind wir alle in diesen Tagen! Nun lassen Sie mich schon los!«
Er dachte nicht daran, ihrer Aufforderung Folge zu leisten, sondern zog sie noch dichter an sich heran. Mary kam es fast unwirklich vor, wie sie hier im dämmrigen Halbdunkel des Schafstalles standen, um sie herum blökende Tiere, die sich an sie drängten. Und was für ein dummes Zeug redete Charles da? Wie konnte er von Liebe sprechen, wo ringsum die Welt unterging und sie tausend andere Dinge im Kopf hatte? Sie stemmte beide Arme gegen seine Brust.
»Charles Mackenzie, Sie sind ja verrückt!« rief sie zornig.
In Charles’ Augen blitzte plötzlich etwas auf, das ihr Angst machte. Himmel, er liebt mich wirklich, dachte sie unbehaglich. Aber ich bin so müde, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr...
Kraftlos ließ sie beide Arme sinken. »Charles, lassen Sie mich doch...« bat sie schwach. Er legte seine Hand unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht zu sich auf.
» Wirklich, Mary? Du weißt, wenn hier alles vorbei ist, sehen wir uns niemals wieder. Willst du mich nicht einmal küssen zum Abschied? «
Sie hob sich auf die Zehenspitzen, berührte flüchtig mit den Lippen seine Wange. Ein winziger Schauer durchflog sie. Eilig wich sie zurück.
»Das gehört sich wirklich nicht«, sagte sie und strich sich sorgfältig
über die Haare, obwohl sie gar nicht in Unordnung geraten waren.
Charles lachte. »Das ist ganz die Mary, wie ich sie kenne. Immer beherrscht und immer so schrecklich sittsam. Und wenn alles in Trümmer geht, du denkst immer noch darüber nach, was sich gehört und was nicht. Zum Teufel, was kann ein Mann denn nur tun, damit du dich ein einziges Mal deiner Leidenschaft auslieferst?«
»Ich liefere mich niemals aus. Ich habe Wichtigeres im Kopf.«
»Ja, ich weiß. Marmalon. Aber das ist auch eine Leidenschaft. Und zwar eine, die dir offenbar für nichts sonst mehr Raum läßt. Ich frage mich, wie Mr. de Maurois das ausgehalten hat.«
Mary griff sich mit beiden Händen an die Schläfen. Ihr Kopf schmerzte, verworrene Bilder bedrängten sie. »Lassen Sie das doch«, bat sie, »wie können Sie denn gerade jetzt über solche Dinge nachdenken?«
Charles blickte sie an, dann schloß er plötzlich seine Hand hart um ihren Arm.
»Gerade jetzt?« fragte er. »Ja, Mary, gerade jetzt! Ich verliere alles, deshalb ist mir alles gleich! Alles! Brenda, die Kinder und sogar Ihr guter Ruf, Mrs. de Maurois!« Seine Hände glitten über ihre Arme zu den Schultern hinauf, zerrten den Mantel fort, gruben sich in ihr Fleisch. Er schüttelte sie, sein Gesicht, schweißnaß und bleich, war dicht vor ihrem.
»Ich liebe dich so sehr. Ich kann dich nicht verlieren. Ich könnte Marmalon hingeben, wenn ich dich nur behielte. Mary, bitte!« Sein Kopf sank hinunter und legte sich auf ihre Schulter. Mary stand wie erstarrt. Gerade noch hatte sie sich geärgert, daß er von ihr verlangte, über irgendwelchen Unsinn nachzudenken, wenn doch alle ihre Gedanken nur um ihre hoffnungslose Zukunft kreisten, nun aber erwachten Verständnis und Zärtlichkeit in ihr. Sie hob die Hand und strich ihm leicht über die Haare.
»Es wird schon irgendwie weitergehen«, sagte sie, »für jeden von uns. «
Charles hob den Kopf. Er fühlte ihre Hand auf seinen Haaren und sah in ihre Augen, die von einer Wärme waren, wie er sie nie an ihr erlebt hatte. Eine jähe Sehnsucht stieg in ihm auf, ohne daß er
recht wußte, welcher Zauber ihn gestreift hatte. Es mochte die Kraft des Gesichtes vor ihm sein, seine Ruhe und Zärtlichkeit. Ein übermächtiges Verlangen überkam ihn, sich an sie zu klammern und von ihrer Stärke zu trinken. Er nahm ihren zarten Lavendelgeruch wahr und spürte ihren Atem warm und dicht an seinem Mund. Seine Augen ruhten auf ihr, verweilten auf dem Rand ihres Kleides, der sich eng um ihren Hals schloß. Er machte sich nicht die Mühe, seine Begehrlichkeit zu verbergen. Er sah auf ihre Brüste, die sich leicht unter dem Wollstoff abzeichneten, verfolgte die Linie ihres Körpers, die schmale Taille und den Schwung ihrer Hüften, und registrierte plötzlich erstaunt, daß seine Hände den gleichen Weg gegangen waren und über Marys lange, schlanke Schenkel strichen. Er spürte, daß sein Atem schwer wurde, daß sich jenes unwiderstehliche, brennendheiße Verlangen in ihm ausbreitete, das Brenda schon allzu lange nicht mehr in ihm wachzurufen vermochte.
Ich könnte sie jetzt auf der Stelle... dachte er, rief
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