Die stillen Wasser des Todes - Roman
bei Wettkämpfen vertreten. Aber selbst das war nicht notwendig. Jeder kann an olympischen Vorausscheidungen teilnehmen.«
Cullen zog einen Moment lang die Stirn in Falten, dann hellte sich seine Miene auf. »Brad Lewis.«
Milo Jachym nickte bereits zustimmend. Kincaid kam sich vor, als wohnte er einem chinesischen Debattierclub bei. »Wovon reden Sie eigentlich?«
»Brad Alan Lewis«, erklärte Cullen. »Er hat 1984 bei den Olympischen Spielen von Los Angeles Gold im Doppelzweier gewonnen. Und das als kompletter Außenseiter, ohne jegliche finanzielle Unterstützung.«
»Und Becca ist – war« – Milos Züge verkrampften sich, als der Schmerz ihn übermannte – »ein ganz ähnlicher Charakter. Hartnäckig. Besessen. Fest entschlossen, ihren eigenen Weg zu gehen. Und wie Lewis wusste sie, dass es ihre letzte Chance war.«
»Aber Sie sagen, ihr Exmann sei wütend auf sie gewesen, als er erfuhr, dass sie trainierte. Warum das, wenn sie tatsächlich eine Chance hatte, etwas so Großes zu erreichen?«
»Ich – Meine Vermutung war, dass er um ihre Sicherheit besorgt war, weil sie so spät noch aufs Wasser ging. Aber es war ihre einzige Möglichkeit, täglich zu rudern.«
»Es sei denn«, meinte Kincaid nachdenklich, »sie hätte den Dienst quittiert. Und das –«
Das Handy in seiner Tasche vibrierte ein Mal und dann noch ein Mal – ein Anruf. So ärgerlich die Unterbrechung war, er konnte es sich nicht leisten, sie zu ignorieren.
Die Nummer auf dem Display war ihm unbekannt, doch er erkannte sofort DI Singlas Stimme. »Superintendent, da ist ein Mann vor Rebecca Meredith ’ Cottage«, sagte Singla. »Er bedroht den Constable, den ich dort postiert habe. Möchten Sie, dass ich ihn festnehmen lasse? Er sagt, er sei ihr Mann.«
»Du bist wirklich ein Schatz.« Gemma streckte die Beine unter dem Küchentisch aus und hob ihr Glas, um Melody zuzuprosten. Ihre Mitarbeiterin hatte nicht nur eine Flasche köstlichen Sauvignon Blanc mitgebracht, sondern auch eine Pizza mit reichlich Olivenöl und Knoblauch aus Gemmas Lieblingsbistro »Sugo« in Notting Hill Gate.
»Nur gut, dass ich den Wagen zu Hause gelassen habe«, meinte Melody, während sie sich noch einen kräftigen Schluck einschenkte. »Und wenn mir auf dem Heimweg irgendwelche Vampire über den Weg laufen, muss ich sie nur ein Mal anhauchen, dann ergreifen sie sofort die Flucht.« Sie atmete tief aus, wie um ihre Theorie zu testen.
Melody wohnte in einem Apartmentblock in der Kensington Park Road und erklärte stets, die knapp zwei Kilometer Fußmarsch von ihrer Wohnung bis zu Duncans und Gemmas Haus in St. John’s Gardens seien genau der richtige Ausgleich, wenn man mal ein bisschen zu üppig gegessen und getrunken hatte.
»Was meinst du – ob Knoblauch vielleicht auch einen beruhigenden Effekt auf Kinder hat?«, fragte Gemma. »Ich könnte mir vorstellen, dass sie irgendwie mit Vampiren verwandt sind.«
Als sie endlich zu Hause angekommen waren, war Toby ganz überdreht gewesen, und Charlotte hatte noch mehr geklammert und gequengelt. Toby hatte sich geweigert stillzusitzen, war stattdessen mit seiner Pizza in der Hand um den Tisch herumgetanzt und hatte die Hunde, die Katze und Charlotte geärgert, während Charlotte sich weigerte, auch nur einen Bissen zu essen, wenn sie nicht auf Gemmas Schoß sitzen durfte. Kit wiederum hatte sich ungewöhnlich ungesellig gezeigt und war mit seiner halben Pizza nach oben verschwunden, in der einen Hand seinen Teller, in der anderen das Handy.
»Ich kann den Abwasch übernehmen«, erbot sich Melody. »In der Küche bin ich ein Ass.«
Gemma überlegte. »Also, ich habe dich ja eigentlich noch nie kochen sehen. Aber als Pizzalieferantin bekommst du Topnoten.«
»Ich kann kochen«, protestierte Melody grinsend. »Äh … Käse, Kekse, Wein …« Sie zog die Stirn in Falten und zuckte schließlich mit den Achseln. »Na ja, vielleicht doch nicht so toll. Aber drück mir eine Flasche Spüli in die Hand, und ich vollbringe wahre Wunderdinge.« Sie wollte aufstehen, doch Gemma scheuchte sie auf ihren Stuhl zurück.
»Es sind doch fast nur Pizzakartons. Das ist schnell erledigt, wenn die Kinder mal im Bett sind.« Da sie wusste, dass es zur Schlafenszeit wieder die üblichen Dramen geben würde, und da sie Melodys Besuch ungestört genießen wollte, hatte Gemma die Kinder mit dem Versprechen eines Videos im Wohnzimmer geködert. Nachdem sie Toby davon überzeugt hatte, dass er sich nicht zum hundertsten Mal
Weitere Kostenlose Bücher