Die Stimme des Feuers
dem, was er ihr jetzt antun würde. Sie hörte, wie er sich auszog, und merkte, wie das Bett einsank, als er sich neben ihr niederließ.
Graelam schaute auf ihre weit gespreizten, schlanken, weißen Beine. Sein Blick tastete ihre weiblichen Formen ab, bis er auf den weichen Locken über dem Schritt ruhen blieb. Mit leichter Hand berührte er ihre Haut. Sie begann zu wimmern, doch nicht aus Verlangen. Sie hatte ja nie Verlangen nach ihm. Was hattest du eigentlich erwartet, du blöder Hurensohn?
Verdammt noch mal, der Teufel hole sie und alle Weiber! Er warf sich zwischen ihre Beine und hob ihre Hüften an. Er hatte nicht die Absicht, ihr Gewalt anzutun. Er wollte sie nur erschrecken und ihr zeigen, daß er sich von ihr nicht zum Narren halten ließ.
Bald ließ er sie wieder los und hockte sich hin. Unter ihren fest geschlossenen Lidern quollen Tränen hervor.
Ihre Qual bohrte sich wie ein glühendes Eisen in seine Seele. Schließlich nahm er eine Decke und breitete sie über ihrem bebenden Körper aus. Mit einem Tuch wischte er ihr die Tränen vom Gesicht.
»Hör auf!« brummte er. »Hör mit dem verfluchten Weinen auf!«
Sie schluchzte noch einmal, und unwillkürlich streichelte er ihr zart über die Wange. Die warmen, salzigen Tränen benetzten seine Handfläche.
Er ertrug es nicht mehr. Deshalb band er sie wieder los und massierte ihre gefühllos gewordenen Glieder, wobei er sich einen blöden Schwächling schalt. Sie lag da und rührte sich nicht.
Er stand auf. »Nun, wenigstens bist du zurückgekommen, aus welchen Gründen auch immer.«
»Ich bin nie geflohen«, erwiderte sie mit ersterbender Stimme.
Er kleidete sich rasch an und ging. An der Tür blieb er noch einmal stehen und sagte über die Schulter hinweg: »Du bist die Herrin von Wolffeton, Mylady. Ich erwarte, daß uns eine anständige Mahlzeit vorgesetzt wird. Erhebe dich und sorge dafür! Aber vorher nimm ein Bad! Du stinkst nach Pferdeschweiß.«
Und nach Angstschweiß, dachte er. Ja, sie roch nach Angst!
»Habt Ihr sie mißhandelt?« wollte Guy von ihm wissen.
Kalt entgegnete er dem Ritter: »Sie hätte es verdient, daß ich sie totgeschlagen hätte.«
»Mylord, sie hat die Wahrheit gesprochen. Ich fühle es. Wie ist es nur möglich, daß Ihr als Gatte es nicht fühlt?«
»Guy, du bist ein Schwachkopf«, sagte Graelam müde. Er vergaß sogar seine Eifersucht auf den Jüngeren. »Die Halskette aus Al Afdals Lager ist verschwunden. Das verfluchte Weib! Ich hätte sie ihr sowieso geschenkt.«
Guy musterte die Miene seines Herrn. Zum erstenmal in seinem Leben, dachte er, leidet Graelam um einer Frau willen. Kassia hatte die Halskette bestimmt nicht gestohlen. Wer aber dann? Er brauchte nicht lange zu überlegen.
Das Essen war vielleicht nicht hervorragend, aber immerhin schmackhafter, als wenn Kassia nicht auf Wolffeton gewesen wäre. Doch wenn sie umherging und Anordnungen erteilte, geschah das alles nur mechanisch. Nur oberflächlich nahm sie Mitleid, Besorgnis und Verwunderung in den Augen der anderen wahr. Nan dagegen betrachtete sie mit triumphierender Verachtung.
Und dann Blanche! Kassia hatte in ihrer Verstörtheit stundenlang gebraucht, ehe ihr die Falschheit der Frau klar wurde. Wenn sie Graelam von ihrem Verdacht in Kenntnis setzte... Sie schauderte bei dem Gedanken. In seinen Augen besaß ja Blanche alles, was sie nicht hatte. Nie würde er ihr Glauben schenken.
Sie vermied Graelams Blick. Sie wollte sein Mißtrauen, seinen Haß nicht sehen.
»Du willst also wieder bockig sein und mager werden?«
Der ärgerliche Ton ihres Gatten ließ sie den Kopf heben. »Ich bin nicht bockig«, sagte sie.
»So wenig, wie du lügst. Dann iß gefälligst! Vorhin sagte ich, daß du ein bißchen zugenommen hast. Das sollte aber nicht heißen, daß du schon vorzeigbar wärst. Du hast noch immer keine richtigen fraulichen Formen.«
Also deshalb hatte er sich nicht an ihr vergangen! Er fand sie so abstoßend, daß er sie nicht mal aus Wut nehmen würde. An ihren dichten Wimpern hingen neue Tränen.
»Wenn du hier vor allen Leuten weinst, dann werde ich dir Grund zum Weinen geben.«
»Das hast du schon getan«, sagte sie.
»Du erstaunst mich, Kassia«, sagte er. »Du gibst wohl nie nach, wie?«
Sie antwortete nicht.
»Vielleicht sollte ich dich zu deinem Vater zurückbringen. Wenn du nicht mehr hier bist, habe ich wenigstens Ruhe.«
Diesmal kam ihre Antwort schnell. »Nein, bitte nicht.«
»Aha. Du tust alles, um deinen Vater zu
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