Die Strafe - The Memory Collector
umfasst das?«
»Ich helfe der Firma dabei, weder Ausrüstung noch Leute zu verlieren.«
»Wie funktioniert das?«
Er hob die Hand. »Moment. Sie sagen, ich habe eine Kopfverletzung und vergesse immer wieder alles?«
»Ja. Und Sie müssen uns helfen. Sie sind gerade aus Südafrika zurückgekehrt. Welche Tätigkeiten gehören zu Ihrem Job?«
Nach kurzem Zögern schien er sich zu fassen. »Wenn Mitarbeiter des Unternehmens nach Übersee fliegen, bin ich mit dabei, um brenzlige Situationen abzuklären. Ich passe auf Ingenieure und Manager auf. Ich sorge dafür, dass zerstreute Programmierer nicht ihr Notebook im Zug vergessen und dass niemand bei einem Auswärtsspiel zu Schaden kommt.«
»Pardon?«, entgegnete Simioni.
»Ich bin dafür verantwortlich, dass Manager in alkoholisiertem Zustand nicht von Prostituierten ausgenommen werden oder Firmengeheimnisse an ausländische Konkurrenten verraten.«
Simioni verschränkte die Arme. »Sie sind also im Arbeitsschutz tätig?«
Ein knappes Lächeln huschte über Kanans Lippen. »Ich bin eine Art Babysitter.«
Jo und Simioni schauten sich ratlos an. Die Möglichkeiten waren ebenso zahlreich wie schrecklich, und sie hatten
noch immer keine heiße Spur. Ein Schlag auf den Kopf. Enzephalitis durch ein Virus. Gehirnoperation mit einer Bohrmaschine. Bandwurmlarven, die sich durch Kanans Kopf gruben.
Jo verscheuchte das Bild. Kanans Augen leuchteten. Er war attraktiv, bei klarem Verstand und in großen Schwierigkeiten.
»Sie sagen also, dass mit mir was nicht stimmt?«
»Ja, und zwar was Ernstes«, erwiderte Jo.
Simioni hielt ihm die Kernspinfotos hin. Kanan wurde kreidebleich.
Es hatte wenig Sinn, es ihm vorsichtig beizubringen. Ohnehin würde es nie wieder einen günstigen Zeitpunkt dafür geben, ihm etwas zu erklären. Was er auch erfuhr, er konnte es nicht mehr aufnehmen. Man konnte ihn nur immer wieder daran erinnern. Plötzlich schoss Jo eine Melodie durch den Kopf. »Strip my Mind« von Red Hot Chili Peppers.
Simioni stellte Kanan weitere Fragen. Hatte er Fieber gehabt? Hatte er ungefiltertes Wasser getrunken oder vielleicht an einem Imbissstand in Simbabwe suspekte Lebensmittel verzehrt? Nein, nein, nein.
Unverwandt starrte Kanan auf die Bilder. »Davon hab ich noch nie gehört.«
»Es ist extrem selten«, bemerkte Jo. »Gab es auf Ihrer Geschäftsreise irgendwelche seltsamen Vorfälle? Irgendwas Ungewöhnliches?«
»Nein.« Er blickte auf. »Wie kann man das behandeln?«
Simioni wich aus. »Daran arbeiten wir noch.«
Kanans Stimme wurde scharf. »Sie wissen es nicht?«
»Solange wir die Ursache nicht kennen, gibt es nicht einmal die Chance auf eine Behandlung.«
Kanan wirkte so starr wie eine niedergedrückte Stahlfeder kurz vor dem Hochschnellen. »Prognose?«
Jo übernahm die Antwort. »Der Teil Ihres Gehirns, der Informationen verarbeitet und sie zur Langzeitspeicherung weitergibt, ist geschädigt. Das heißt, die Informationen kommen nicht im Gedächtnis an. Sie werden einfach abgeworfen.«
Er stieß mit dem Finger auf den Ausdruck. »Dieser Teil meines Gehirns verschwindet also.« Er holte tief Luft. »Wird ausradiert.«
»In gewisser Weise ja.«
»Wie wenn ich bei einem Fotoapparat durch den Sucher schaue, aber nicht auf den Verschluss drücken kann. Demnach vegetiere ich bald nur noch vor mich hin?«
Sie hielt seinem Blick stand. »Nein.«
»Ich werde sabbernd aus dem Fenster starren?«
»Keineswegs«, versicherte Simioni.
Kanans Blick verlor sich in der Ferne. Simioni fuhr in seinen Erklärungen fort, aber Jo bemerkte, dass Kanan nichts mehr wahrnahm. Er hing mit Kopf und Herz an den kreischend roten Buchstaben, die gerade über sein Leben geschmiert worden waren: Gedächtnis gelöscht.
Jo berührte Kanan an der Hand. »Sie haben ein Gehirntrauma. Mehr wissen wir nicht.«
Sie prüfte seinen Puls. Schnell und stark. Er trug ein Denimhemd über einem braunen T-Shirt. Der Schriftzug auf dem T-Shirt lautete FADE TO CLEAR .
Kanan bemerkte, dass sie ihn las. »Die Garagenband
meines Jungen. Sie haben sich ein Dutzend Shirts machen lassen.« Er wirkte äußerlich ruhig, aber sein Atem ging schnell. »Finden Sie raus, was mir fehlt. Und machen Sie mich wieder gesund.«
»Wir versuchen es«, antwortete Jo. »Aber die Schädigung schreitet weiter fort, und es ist eine Schädigung, die sich nicht reparieren lässt.«
Simionis Pager meldete sich. »Ich muss los.« Er verschränkte die Arme. »Mr. Kanan, wir tun alles, was in unseren Kräften
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