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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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seine Frau. Leider mußte ich den Auftrag ablehnen. Ich versuchte ihm zu erklären, daß ich es bis Weihnachten nicht schaffen kann. Ich habe vorher noch einige andere Aufträge zu erfüllen.« Sie ging zu einem großen Tisch, holte eine Mappe aus Pappe und legte sie auf den Boden vor Willbreits Füße. »Sie wollen ›Odysseus und die Schweine‹ sehen? Wenn Sie sich dafür entschließen – nicht vor Ostern nächsten Jahres. Frühester Liefertermin.«
    »Wo ist Dr. Roemer?« fragte Willbreit steif.
    »In der Werkstatt. Er interessiert sich für meine Arbeitsmethode.«
    »Das ist es! Kann ich zu ihm?«
    »Nicht nötig!« Roemer kam aus dem Nebenraum, groß, stark, äußerlich strotzend vor Gesundheit, ein rotgesichtiger Riese. »Ich sage dir eines, Thomas: Es ist aus mit unserer Freundschaft, wenn du Elise auch nur einen Ton verrätst, daß ich für sie einen Teppich knüpfen lasse.«
    Willbreit drückte das Kinn an den Kragen und sah Dr. Roemer einen Augenblick stumm an. Es war ein Duell der Blicke, doch Roemer hielt stand. Dann sagte Willbreit: »Laß uns doch vernünftig darüber reden, Erasmus.«
    »Warum spionierst du mir nach?« Der Richter zeigte auf die aufgeschlagene Skizzenmappe. »Blättere sie nur mal durch. Es sind fabelhafte Entwürfe darunter.«
    »Laß den verdammten Quatsch! Wir sollten …«
    »Wie sagte doch der Mann mit der nassen Unterhose? Da hilft kein Schütteln und kein Beben, der letzte Tropfen geht daneben …« Roemers Stimme dröhnte wieder wie in seiner besten Zeit, und die lag erst eine Woche zurück.
    »Sie haben eine fabelhafte Tochter, Herr Doerinck. Ich habe noch nie so schöne Teppiche gesehen. Seit einer Stunde erzähle ich ihr, was sie verdienen könnte, wenn sie im großen Stil eine Manufaktur aufmacht. Sie gestaltet die Entwürfe, und eine Kompanie von Knüpfern führt sie aus. Aber sie will nicht. Ein Kunstwerk ist einmalig, sagt sie, kein Serienprodukt. Es ist ein Kreuz mit diesen Individualkünstlern, sie haben zum Geld kein Verhältnis.«
    »Wie lange soll diese Komödie noch gespielt werden?« rief Willbreit erbost. »Wie lange noch?«
    »Jede anständige Komödie hat drei Akte. Ich bin erst bei der Einleitung des ersten Aktes!«
    »Eine schlechte Komödie. Das Ende ist längst bekannt.«
    »Was ist denn nun los?« sagte Doerinck ziemlich laut. »Ich werde von einem ungeheuer aufgeregten Professor attackiert, meine Tochter begehe ein Verbrechen – darüber wird noch zu reden sein. Und weil es hieß, man wolle die Polizei einschalten, führe ich unter Zwang den Herrn zu meiner Tochter – auch das werden wir noch klären. Und was stellt sich nun hier heraus? Meine Tochter hat weiter nichts getan als einen Kunden empfangen. Herr Professor Willbreit – ich ersuche um eine Erklärung!«
    »Du lieber Himmel! Sie glauben diesen Schmäh?«
    »Ja. Ich vertraue meiner Tochter! Ob Sie es nicht tun, interessiert mich nicht. Ich verlange eine Rechtfertigung Ihres skandalösen Auftritts in meinem Haus! Sie haben nicht das geringste Recht …«
    »Das stimmt!« rief Roemer laut dazwischen. »Er hat keinerlei Recht, sich so zu benehmen. Ich weiß nicht, was er zu Ihnen alles gesagt hat, Herr Doerinck – aber ich entschuldige mich hiermit für meinen Freund.«
    »Das ist völlig unangebracht.« Willbreit ging unruhig an den aufgehängten Schaustücken entlang und umkreiste mehrmals die Skizzenmappe auf dem Fußboden. Seine Situation war nicht beneidenswert, das wußte er. Sie war im Grunde genommen sogar lächerlich. Daß Roemer bei Corinna einen Teppich bestellte, war ein Witz, aber es war nicht zu widerlegen. Blieben alle bei dieser Version des Besuches, mußte er sich entschuldigen und mit einer schmählichen Niederlage abziehen. Man konnte ihn in seiner Würde nicht tiefer kränken. »Beenden wir das widerliche Theater.«
    »Ganz meine Meinung.« Roemers Stimme schwoll wieder an. »Wenn du jetzt abfährst, Thomas, wirst du nicht vermißt.«
    »Ich habe mit dir zu reden, Erasmus.«
    »Bin ich ein Fürsorgezögling? Ich kam hierher, um einen Teppich zu kaufen und will jetzt allein gelassen werden. Ruf mich zu Hause an, und wir machen einen Termin aus.«
    »Ich sehe, Vernunft und Logik zählen hier nicht mehr.« Willbreit blieb vor Corinna stehen. Welch eine faszinierende Frau, dachte er, und welches Unglück kann sie anrichten!
    »Herr Roemer ist mein Freund. Er ist sich über seinen Zustand völlig im klaren. Wenn Sie ihn an einer erfolgversprechenden Therapie hindern, an einer

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