Die Strandhochzeit
ausgelassen, aber zumindest war es nicht gelogen.
„Das erklärt nicht, warum Sie Angst vor ihm haben."
Holly senkte den Blick. „Wir ... wir sind unterschiedlicher Meinung, was meine Zukunft betrifft. Deshalb bin ich von Zuhause weggegangen."
„Worüber genau waren Sie sich nicht einig?"
Sie wollte so wenig wie möglich von sich preisgeben - schon gar nicht den Namen ihres Vaters.
„Ich ... ich wollte meine berufliche Ausbildung fortsetzen", antwortete sie ausdruckslos.
Jack sah sie mit seinen dunklen Augen so forschend an, als wäre er der Richter und sie die Angeklagte. Holly erwiderte seinen Blick, ohne mit der Wimper zu zucken.
„Also gut", meinte er schließlich, doch es klang nicht, als wür de er ihr glauben. „Und wie kann er Sie davon abhalten? Geht es um Geld?"
Energisch schüttelte sie den Kopf. „Nein, ich habe noch nie Geld von Donna und ihm angenommen."
„Wenn Sie wirklich zweiundzwanzig Jahre alt sind, kann er Ihnen doch gar nichts vorschreiben."
Holly überlegte. „Wahrscheinlich haben Sie Recht", stimmte sie ihm zu. „Aber sie leben nun einmal in einer Kleinstadt in den USA, und mein Vater hat ein völlig verrücktes Testament hinterlassen. Ich hätte es anfechten müssen. Allerdings habe ich nie daran geglaubt, dass ein Gericht mir Recht geben würde."
„Warum nicht?" Er zog die Augenbrauen hoch. „Ich komme übrigens auch aus einer amerikanischen Kleinstadt", fügte er ein wenig trocken hinzu.
„Dann sollten Sie wissen, was ich meine", erwiderte sie. „Kein Rechtsanwalt würde mich als Mandantin annehmen, wenn ich gerichtlich gegen meine Familienmitglieder vorgehen will. Sie gehören zu den angesehensten Einwohnern der Stadt." Sie lächelte ironisch. „Mit anderen Worten, meine Familie ist der wichtigste Arbeitgeber der Region - wenn nicht sogar der einzige."
„Ich verstehe." Jack war sofort klar, was sie meinte.
Holly seufzte. „In gewisser Hinsicht ist es nachvollziehbar. Schließlich war ich erst siebzehn und hatte nur zwei Jahre in Lansing Mills gewohnt. Aber meine Stiefschwester Donna kennen alle Menschen dort bereits seit ihrer Geburt - und Brendan seit der Hochzeit. Vermutlich haben die Leute geglaubt, die beiden wollten nur auf mich aufpassen und dafür, sorgen, dass ich keine Dummheiten mache - natürlich alles zu meinem Besten." Einen Moment war ihr Gesicht unendlich traurig.
Jack kannte diesen Blick. Er hatte ihn schon sehr oft gesehen. Diesen Gesichtsausdruck hatten Gefangene, die aufgegeben hatten und nicht mehr versuchten, sich aus ihrem Gefängnis zu befreien. Sein Magen krampfte sich zusammen. Doch Jack sagte nur: „Also sind Sie weggelaufen. Was genau war der Anlass?"
Holly antwortete ausweichend. „Das Testament meines Dad-dys besagte, dass Donna sich um mich kümmern soll, bis ich fünfundzwanzig bin, es sei denn, ich würde vorher heiraten." Sie verzog das Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. „Brendan und sie waren der Ansicht, ich solle zu Hause bleiben und weder aufs College gehen noch reisen oder irgendetwas anderes tun."
Jack schwieg eine Weile nachdenklich. „Sie hatten heute Nachmittag große Angst vor diesem Mann", stellte er schließlich fest. „Das war deutlich zu sehen."
Holly hob den Kopf. Er bemerkte den wachsamen Ausdruck in ihren leuchtenden haselnussbraunen Augen.
„Sie trauen mir nicht über den Weg", bemerkte er. „Stimmt's?"
Sofort senkte sie die Lider. Sie zuckte die Schultern. „Warum sollte ich das auch tun?"
„Weil Sie nicht sehr viele Möglichkeiten haben. Und Sie brauchen Hilfe."
Holly hob das Kinn. „Nein, das tue ich nicht!"
Er ging nicht darauf ein. „Warum sind Sie von Zuhause weggelaufen?"
Sie sahen sich an. Hollys Augen drückten Verärgerung und Angst aus, Jacks Miene dagegen war unbewegt. Sie senkte zuerst den Blick.
Der Barkeeper näherte sich ihnen. „Mr. Armour, da ist ein Anruf für Sie."
Jack zögerte. Als er aufstand und zur Bar ging, hatte Holly das Gefühl, dass ein unbarmherziges Verhör endlich vorbei war. Erschöpft ließ sie sich gegen die Lehne des Sessels sinken. Während der vergangenen fünf Jahre hatte sie gelernt, Menschen schnell zu durchschauen. Doch in Jack Armour hatte sie sich getäuscht. Wegen seiner selbstsicheren, typisch männlichen Art war er für sie nur „der schöne Jack" gewesen. Und er war wirklich sehr attraktiv mit seinen geheimnisvollen, schräg stehenden Augen, den hohen Wangenknochen, den markanten Gesichtszügen, dieser Aura der
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