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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Botanik in der Wüste! Aber das macht die Sonne, diese verfluchte Sonne, sie läßt Gedanken und Erinnerungen blühen, die tief unten in der Hirnschale sitzen, kühl und gut aufbewahrt wie in einem Keller. Man kann sie heraufholen und entkorken, diese Gedanken, man kann sie trinken, und sie schmecken herrlich, weil es die einzige Nahrung ist. Cornulaca monacantha heißt ein Kraut in der Wüste, hahaha. Da gibt es im Süden ein Gras, das Halfagras, hart wie eine Messerschneide und auch so scharf. Stipa tenacissima! Ein herrlicher Name, nicht wahr? Tenacissima! Das klingt wie der Text aus einem Meßbuch … Judica me, Deus! Ein herrlicher Spruch, mein Gott: Schaffe mir Recht und führe meine Sache gegen ein unheiliges Volk. Von frevelhaften, falschen Menschen rette mich.
    Ja, rette mich, mein Gott! Verlaß mich nicht! Ich werde noch irrsinnig in dieser Hitze, diesem Staub, dieser Trostlosigkeit der Wüste.
    Die Zunge ist dick und aufgequollen vor Durst, der Magen krampft sich zusammen, vor den Augen steht flimmernd die Luft; ich muß sie zusammenkneifen, um überhaupt sehen zu können.
    Nun bin ich weitergezogen. Ich habe nur kurz in einem Wadi gerastet und das Kamel untersucht. Sein Vorderhuf ist verletzt, es muß auf einen spitzen Stein getreten sein. Das Bein schwillt an, und ich kann ausrechnen, wann es nicht mehr gehen kann und ich es liegen lassen muß, das treue, tapfere Kamel, das mich Stunde um Stunde durch die Wüste trug.
    Jetzt wird es kühler. Der Abend kommt schnell, und dann liegen wir in einer Dünensenke und frieren.
    Drei Stunden bin ich jetzt zu Fuß gegangen, um das Kamel zu schonen. Was bin ich ohne dieses Tier in der Sahara? Ich darf es nicht verlieren, bevor ich nicht eine Oase erreicht habe. Es muß durchhalten, es muß so stark sein wie ich.
    Ich schwanke durch die Wüste, ein Betrunkener, betrunken von der Sonne, der Hitze und dem Durst. Aber ich schaffe es, Meter um Meter, durch den Sand, durch den spitzen Kies, durch Muschelfelder. Einmal lag ein kleiner Salzsee vor mir, ich glaube, es war der Schott el Glaouila. Dort habe ich eine Stunde gestanden und die salzigen Steine in der Hand gehalten.
    Verrückte Vorstellungen überkamen mich. Wenn ich jetzt an solch einem Salzsee lecke, werde ich vor Durst verbrennen. Verdursten ist der schrecklichste Tod. Ein Mensch, der verdurstet, wird irrsinnig.
    Nun ist es Abend. Ich liege in einer Talsenke. Vor mir dehnt sich ein kleiner rauher Gebirgszug, nicht hoch, aber kahl wie der Mond. Felsen, rötlichgelb, bröckelnd, rissig, von der Sonne ausgelaugt. Hier will ich die Nacht überleben. Ich kann nicht schreiben: Hier will ich schlafen – es wäre eine Lüge. Überleben, das ist der richtige Ausdruck.
    Mein Kamel kniet an dem Felsen und leckt sich seinen Vorderhuf. Es muß sich dabei den Hals ausrenken, aber es leckt, und das tut ihm gut, denn es ist still und knurrt nicht mehr. Der Holzsattel mit dem kleinen, schmutzigen, zerfetzten Teppich liegt auf der Erde. Ich hocke daneben und schreibe, solange noch Licht über der Einöde ist. Wenn dann die Nacht kommt, die kalte Nacht, und die Millionen Sterne flammen auf wie Fackeln, werde ich zu meinem Kamel kriechen und mich eng an es schmiegen. Es wird mich wärmen, dieses stinkende, häßliche Tier, es wird das einzige Leben sein, das um mich ist.
    Und was wird morgen sein?
    Wieder Sonne. Wieder Wüste. Und Flucht, immer wieder die Flucht. Und Hunger. Und Durst. Durst …
    Ich darf nicht daran denken. Wenn ich mit der dicken Zunge über meine Lippen fahre, spüre ich, daß sie aufgesprungen und voll Sand sind. Es knirscht im Gaumen, wenn ich schlucke.
    Es wird dunkel, der Himmel ist grauschwarz.
    Das Kamel stöhnt.
    Nur Ruhe, mein Freund – ich lege mich neben dich. Kamerad der Einsamkeit, wir gehen zusammen zugrunde.
    Mein Gott, schicke mir die Gnade des Schlafes.
    Sieben Stunden später.
    Ein Verrückter steht auf einem Felsen.
    Ich jauchze, ich tanze um mein Kamel herum. Nein, warum soll ich es nicht sagen? Ich weine! Ich wundere mich, woher meine Augen aus dem ausgesaugten Körper das Wasser hernehmen, um Tränen zu schaffen. Ich weine.
    Vor mir, im Tal, am Rand der Felsen, liegt ein Brunnen!
    Eine Oase!
    Eine unbewohnte, kleine Oase, nur wenige Dattelpalmen und Tamarisken. Aber ein Brunnen ist da, ich sehe ihn deutlich, ein kleiner, ummauerter, runder Brunnen mit einem zerbeulten Blecheimer an einem zerschlissenen Tau!
    Mein Kamel schreit. Es ist die Freude, ich sehe es an seinen Augen. Schwankend

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