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Die Strasse ohne Ende

Die Strasse ohne Ende

Titel: Die Strasse ohne Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Erstaunt lauschte der Kommissar hinüber. Als nach einer Weile der Funker hereinkam und die Meldung auf einen Zettel geschrieben in der Hand hielt, riß der Kommissar das Blatt an sich und überflog es kurz. »Na ja – da haben wir es wieder einmal«, sagte er laut und hieb auf den Tisch. »Meldung von Fort III der Legionsgruppe Bir-Adjiba: ›Der für zwei Tage beurlaubte Leutnant Emile Grandtours ist nicht ins Fort zurückgekehrt. Suchaktionen vergeblich. Fahndung für alle Dienststellen in Nordafrika, Steckbrief folgt. Meldung an Generalkommando Algier!‹« Er sah Dr. Handrick an. »Auch das ist nichts Neues. Ein Leutnant verschwindet für immer. Die Wüste ist groß und schweigsam. Sie deckt alles zu. Sie ist eine große Zauberin, sie läßt Menschen einfach verschwinden.« Er warf das Blatt Papier auf den Tisch. »Und da glauben Sie, mein Bester, ich wäre in der Lage, Ihre Braut in Algier zu finden? Monsieur, ich bin Kavalier, und ich bedaure Sie und Ihren gerechten Schmerz.«
    Langsam verließ Dr. Handrick das große Gebäude der Polizei. Wie ein Schwerkranker stand er auf der Straße, bleich, wie von Fieber geschüttelt. Wohin? dachte er. Wohin soll ich jetzt? In das Institut? Jetzt Verbeugungen machen, mich vorstellen, den französischen Kollegen die Hände drücken und berichten über die Fortschritte der Inneren Medizin in Deutschland? Jetzt ruhig in einem Korbsessel sitzen, unter dem sich drehenden Riesenpropeller des Ventilators, und Eiscocktails aus flachen Glasschalen trinken, während Hilde irgendwo in dieser Riesenstadt um Hilfe schreit?
    Der arabische Chauffeur des Taxis stand neben seinem Wagen und sah den Arzt groß an. »Zum Institut?« fragte er. »Suchen Sie nicht diesen Omar, Monsieur, Sie werden ihn nie finden.«
    Dr. Handrick stieg in den Wagen und ließ sich in die Polster fallen. »Fahren Sie mich irgendwohin! Nur nicht zum Institut de la Santé! Fahren Sie mich in die Kasbah.«
    »In die Kasbah, Monsieur?« Der Fahrer drehte sich auf seinem Sitz herum. »Es wird bald Abend.«
    »Trotzdem. Fahren Sie nur.«
    Unterhalb der alten Türkenfestung stieg er aus und ging zu Fuß durch die stinkenden Gassen. Man sah ihm nach, ein Schwarm bettelnder Jungen und Mädchen hängte sich an ihn. In den Türen hockten die Araber und rauchten. Dicke Weiber mit Eimern standen an den Wasserzapfstellen und unterhielten sich mit weiten Armbewegungen.
    In einem kleinen europäischen Café nahe der Moschee setzte sich Dr. Handrick an einen runden Tisch und trank einen Café au lait. Die Tagelöhner, die hier einen Apéritif tranken, sahen ihm erstaunt zu, wie er einen Stadtplan aus der Tasche zog und alle Hotels, die darauf verzeichnet waren, mit einem Rotstift ankreuzte.
    Und wenn ich sie alle abgehe, dachte er dabei, wenn ich tagelang von Straße zu Straße gehe, irgendwo muß sie sein! Irgendeiner muß die dreizehn Mädchen gesehen haben. Man kann doch nicht einfach dreizehn Mädchen verschwinden lassen.
    Gegen elf Uhr abends traf er wieder in der Europäerstadt ein, müde, verzweifelt. Er ließ sich zum Institut de la Santé fahren und dem Leiter melden.
    Dr. Bernard war ein großer, kräftiger Mann Mitte der Fünfzig. Sein weißes Haar umrahmte das braune Gesicht mit der hohen Stirn. Seine blauen Augen hatten noch nichts von ihrer Strahlkraft eingebüßt. Er kam Dr. Handrick mit ausgestreckten Armen entgegen und drückte ihm beide Hände. »Lieber Kollege«, rief er, »wir waren schon ganz verzweifelt. Wir suchten Sie überall. Auf dem Schiffsbüro sagte man uns, daß Sie schon am Vormittag an Land gekommen seien.«
    »Das stimmt.« Dr. Handrick lehnte den Kognak ab, den Dr. Bernard aus einem Wandschrank nahm. »Ich habe mir Algier ansehen müssen.«
    »Übrigens, es ist ein Brief für Sie da.«
    »So?« Dr. Handrick winkte ab. »Ich habe jetzt wirklich keine Lust auf Post aus Deutschland. Ich hatte ein tragisches Erlebnis.«
    »Erzählen!« Dr. Bernard setzte sich in einen Sessel. »In Algier ist alles tragisch.« Er lachte. »Was ich noch sagen wollte – der Brief ist nicht aus Deutschland! Ein geradezu einmalig dreckiger Araberjunge brachte ihn vor einer Stunde. Sie haben merkwürdige Bekannte in Algier.«
    »Ein Araberjunge?« Dr. Handrick hatte es herausgeschrien. Er war aufgesprungen und streckte beide Hände vor. »Wo ist der Brief? Mein Gott, Dr. Bernard, ein Brief von Hilde! Wo ist er?«
    Dr. Bernard schüttelte den Kopf, ging zu seinem Schreibtisch und reichte ihm das Kuvert hinüber.

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