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Die Strudlhofstiege

Die Strudlhofstiege

Titel: Die Strudlhofstiege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heimito von Doderer
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Würstel mit Kren sowie ein Seidl Bier auf seinen Wink hin zum Fenster heraufgereicht wurden.

    Gegen halb zwei Uhr ist Melzer damals in Wien angekommen, hat an der Westbahn einen Fiaker genommen und ist in die innere Stadt zum Essen gefahren; während desselben brachte ein alter ›Wiener Dienstmann‹, standesüblich geziert mit dem weißen Kaiserbart, das Gepäck im Wagen zum Hotel ›Belvedere‹ beim Südbahnhof. Bei dieser Gelegenheit wäre zu erwähnen, daß unser Leutnant Melzer mit dem Gelde nicht allzu knapp war; er genoß eine Revenue von Seiten eines bierbrauenden Oheims (nomen est omen), welche dieser für so lange zugesichert hatte, als der Neffe im Offiziersberuf bleiben würde. Solche militaristische Neigungen eines einstmaligen Braumeisters und jetzigen Hauptaktionärs einer Groß-Brauerei erleichterten Melzern das Leben, der aber zum Mittagessen in eigentlich pietätloser Weise ein Glas Wein sich geben ließ. Außerdem war die Garnison Trnowo in Bosnien für die Finanzen während des Urlaubs entschieden vorteilhaft, denn dort unten brauchte man so gut wie nichts.
    Nachdem das Hotel noch während des Essens auftragsgemäß telephonisch angerufen und das Einlangen des Gepäcks bestätigt hatte, nahm Melzer gleich hier den schwarzen Kaffee und ging dann langsam durch die Stadt, um einige ihm von den Kameraden in Trnowo aufgetragene Besorgungen zu machen, zuletzt auch in der Seidel'schen Militär-Buchhandlung am Graben. Man denke, es war 1910, ein Spätsommertag.
    Melzer ließ sich mit Plaisir von der vielfältigen Bewegung hier umwimmeln. Hätten wir ihm dabei ganz genau hinter Rock und Hemd und durch Herz und Nieren gesehen: ich vermeine, wir hätten entdeckt, daß sein Vergnügen am vielfältig durcheinanderschießenden und fädelnden großstädtischen Verkehr einen unbewußten Beigeschmack von ›das gibt's eben trotz alledem‹ hatte; und daß dieses Gehen oder Laufen, Stehen, Eilen oder Promenieren der Menschen hier und die mehr als lebhafte Mischung von schmuckem Pferdefuhrwerk und brummenden Automobilen auf ihn lebensbestärkend wirkte. Nun, es war auch ein durchaus dazu geeignetes Bild. Die flutende Sonne überreichlich jedwede bewegte Einzelheit mit Gold grundierend, die blaue Fahne des Himmels hochfliegend über dem ›Graben‹, und bei der Buchhandlung, an der Ecke, der Turm von St. Stephan wie mit einem Riesenschritte ins Bild tretend.
    Klicklak, die Hufe wirbelten. Eine schwere, duftende Wolke von Zigarrenrauch hauchte über den Gehsteig wie ein Gruß sämtlicher tropischer Inseln, und diese Wolke stieß unmittelbar mit einer anderen zusammen, welche den Blick hinter einer im Gewimmel verschwindenden Erscheinung nachzog: Bois des Iles, Holz der Inseln, Rauch der Inseln.
    Er flanierte ein paarmal auf und ab. Es ging auf halb vier. Sein Entschluß, ins Café Pucher zu gehen, war nicht ganz fest stehend. Aber Melzer wurde gleichsam hier dazu ermutigt, da er als Flaneur mit allen anderen Flaneuren eine gewisse Gemeinsamkeit gewann und sich endgültig aus einer Einsamkeit rettete, die vergleichsweise, zu Attnang-Puchheim, schon recht groß gewesen war.
    Im ›Pucher‹ verkehrte der Ballhausplatz. Wer dem Ministerium des Äußeren angehörte, dem war dieses verhältnismäßig schmale eingequetschte Café am Kohlmarkt nicht fremd. Melzers Beziehung zu solchen Kreisen – an sich durch seine Stellung als Truppenoffizier bei der Infanterie keineswegs gegeben, denn das galt gesellschaftlich nicht viel im alten Österreich – kam von der mütterlichen Seite her; die in Innsbruck zurückgezogen lebende Mama Melzer war die Tochter eines seinerzeitigen k. u. k. Generalkonsuls gewesen.
    Der Leutnant fand im Café Pucher nur wenige Bekannte vor: rückwärts in einer Loge saßen auf den roten Samtbänken die Herren von Langl und Semski, sowie ein Ritter von Lindner, der gerade damals, 1910, einen erheblichen Schritt in seiner Carrière nach vorwärts gemacht hat, denn im gleichen Herbst ist er Bezirkshauptmann irgendwo unten in Kärnten geworden. Von den Dreien gehörte nur Semski dem Ballhausplatze an. Später kam für einige Augenblicke Herr Benno von Grabmayr in Eile (der Sohn ›Karls des Großen‹ – so wurde sein Vater genannt, der Herrenhausmitglied war); dieser Benno war kein Freund des Sitzens im Caféhaus: jetzt, kurz nach Büroschluß schon für's Golf umgezogen, befand er sich auf dem Weg in die ›Krieau‹, wo die Plätze lagen; und hier im Pucher wünschte er nur zu erfahren, wer

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