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Die Stunde der Schwestern

Die Stunde der Schwestern

Titel: Die Stunde der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Maybach
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lebte. Getrennt ist nicht geschieden. So würde Joselle reagieren. Und sie durfte ihrer Mutter nicht erzählen, dass das Ganze nur ein Geschäft war. Aber wer interessierte sich außerhalb von Paris schon für Albert de Montherlants Liebesleben?
    »Ich muss es mir überlegen. Lass mir Zeit!« Fleur zögerte.
    »Zwei Stunden, mehr nicht.« Maxime erhob sich. »Dann will ich Albert Bescheid geben.«
    Fleur nickte ihm zu, und er ging durch das Bad in sein Zimmer zurück. Auch Fleur stand auf. Sie stellte sich wieder einmal auf den Stuhl und sah über die Dächer von Paris. Sie war ein Teil dieser Stadt geworden, auch wenn die Stadt sie noch nicht aufgenommen hatte.
    »Ich werde es schaffen«, murmelte Fleur. »Ich will hierbleiben, und ich werde es schaffen.«
    Dann stieg sie von ihrem Stuhl herunter, ging durchs Bad und öffnete nach einem Klopfen die Tür zu Maximes Zimmer. An den Wänden hingen seine Skizzen, an die er kleine Stoffmuster gesteckt hatte. Auch auf dem Arbeitstisch, dem Boden und dem Bett hatte er Entwürfe ausgebreitet, alle sorgfältig geordnet und numeriert. Maxime rastete aus, wenn man sein »System«, wie er es nannte, durcheinanderbrachte, und so blieb Fleur an der Tür stehen.
    Erwartungsvoll blickte er ihr entgegen. Er hatte sich umgezogen, trug jetzt ein weißes, enges Seidenhemd mit weiten Ärmeln und eine schmale schwarze Hose. Immer wieder bewunderte Fleur seine Eleganz, seine zierliche Figur und die außergewöhnliche Schönheit seines feingeschnittenen Gesichts. Maximes Mutter war Marokkanerin, und von ihr hatte er die dunklen, mandelförmigen Augen und den vollen Mund geerbt.
    »Und?«
    »Ich mache es«, erklärte Fleur. »Aber keine Kleider von Chanel, ihr Stil gefällt mir nicht, lieber von Balenciaga.«
    »Das geht in Ordnung.«
    Maximes Züge entspannten sich, er lächelte strahlend, kam auf sie zu und umarmte sie mit Tränen in den Augen.
    »Das werde ich dir niemals vergessen«, sagte er. »Du wirst es nie bereuen, dass du mir geholfen hast. Ich stehe tief in deiner Schuld, meine kleine Provinzlerin.«
    *
    In den folgenden Monaten geriet Albert de Montherlant mit seiner jungen Geliebten immer mehr in den Fokus der Klatschpresse. Sie wurden beim Verlassen des Tour d’Argent fotografiert, auf einer Vernissage, bei einem Gastspiel der römischen Oper. Aus Saint-Emile schrieb Joselle empört, dass sie sich ihrer eigenen Tochter schämen müsse. Jede ihrer Kundinnen würde sie auf Fleur und die Affäre ansprechen, denn letztendlich sei Albert de Montherlant noch verheiratet.
    Die Zeitungen sind voll mit dieser Affäre. Damit hast Du Dir deinen guten Ruf verdorben, kein anständiger Mann wird Dich mehr heiraten.
    Fleur hatte eine tiefe Abneigung gegen den fünfzigjährigen Albert de Montherlant. Er hatte ein glattes, nichtssagendes Gesicht, graue Schläfen, und sobald keine Kamera mehr auf sie gerichtet war, ließ er Fleur seine Geringschätzung spüren und behandelte sie mit herablassender Arroganz. In seinen Augen war sie nur eine kleine Abenteurerin, die sich für ein bisschen Geld verkaufte und ihren guten Ruf damit verspielte. Meist ließ er sie von seinem Chauffeur abholen und zu seiner Wohnung in der Avenue Hoche bringen. Von dort fuhren sie zu einer Veranstaltung, wo die Fotografen bereits auf sie warteten. Dann begann das Spiel, wie er es nannte. Er küsste Fleur auf die Wange, legte seinen Arm um ihre Schultern, und sie lachte ihn zärtlich an, während er ihr durchs Haar fuhr. Fleur fand ihn abstoßend, sein Parfum war zu aufdringlich, und seine Hände, die auf ihren nackten Schultern lagen, ließen sie frösteln.
    Nach einigen Wochen bereits wollte sie die sogenannte Affäre beenden und beklagte sich bei Maxime.
    »Albert ist charakterlos, eitel und egozentrisch. Wie kannst du diesen Mann nur lieben?«
    Doch Maxime verspottete sie. »Schätzchen, du verträgst es nicht, dass er dir nicht zu Füßen liegt.«
    Maxime fand den Mann mit den strahlend blauen Augen und den grauen Schläfen attraktiv und behauptete, er könne sich vorstellen, mit Albert alt zu werden.
    »Albert
ist
alt«, entgegnete Fleur und verletzte Maxime damit so sehr, dass er einige Tage nicht mehr mit ihr sprach.
    *
    Oktober 1957
    Anfang Oktober ließ Alberts Frau Georgia in allen Zeitungen verkünden: »Ich will Albert zurück. Ich liebe ihn, und er ist immer noch mein Ehemann. Ich verzeihe ihm die Affäre mit Fleur Déschartes.«
    Ein angeblicher Schnappschuss von ihr ging durch die gesamte Presse. Ihre

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