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Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Titel: Die Stunde der Seherin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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entglitt, weil sie den letzten Schritt dann doch wagte, einen Zipfel der Decke, die sie sich um die Schultern geworfen hatte, vor Mund und Nase, um vor lauter Husten nicht zu stolpern. Das unbarmherzige Schmatzen des Feuers wich einem düsteren Raunen, je tiefer sie ins Haus vordrang – da vorne musste doch die Feuerstelle gelegen haben, dann konnte das Lager nicht weit weg sein – wo war sie nur …
    »Beth!«
    Das Vieh war längst erstickt in seinem Verschlag, nichts rührte sich dort mehr. Im Stroh knisternde Flammen fingerten nach ihren Beinen, die raunende Stille des Feuers war überwältigend. Sie hastete vorwärts. »Beth!«
    Nichts als lärmender, alles verzehrender Flammenhunger … Ihr Fuß stieß gegen etwas Hartes – Weiches. Aufgeregt ließ sie den Deckenzipfel fallen, jemand lag vor ihr, regungslos und schwer – tot? Sie fiel auf die Knie und in die Flammen, ohne den Schmerz zu spüren, rüttelte hustend an der Person, als Nial hinter ihr ins Haus stolperte und dabei laut ihren Namen schrie. »Christina!« Ein schneesteifer Mantel drückte sich auf ihren Kopf, zwei Hände pressten ihn an ihren Körper, sie hörte, wie Nial erleichtert etwas stammelte, dann war er auch schon neben ihr.
    »Ist sie das?«, rief er gegen die gierenden Flammen. Christina erkannte einen Zopf in der Asche und packte seinen Arm.
    »Ja! Ja, das ist sie!« Er fasste die Ohnmächtige an beiden Armen, wälzte sie herum und schleifte sie so, wie sie war, in Richtung Haustür. Und hatte immer noch Augen für Christina, die sich trotz der Hitze noch einmal umdrehte …
    »Du folgst mir!«, donnerte er. »Du folgst mir – jetzt! Hörst du?«
    Ihr Herz klopfte. Das Buch. Wo war das Buch? Das Buch – sie durfte nicht zulassen, dass das Buch hier verbrannte! Verzweifelt sah sie sich um – überall nur noch Flammen. Kein Buch, keine Spur davon. Flammen … Das Lager war verschwunden, die Truhe, der Viehverschlag. Feuer fraß das Haus wie ein Parasit von innen auf, würde keine Reste lassen.
    »Margaret …«, flüsterte sie weinend und stolperte rückwärts.
    Margaret . Mitten durch das Feuer wehte ihr erneut eisiger Atem entgegen. Kühl und hart streiften Mähnenhaare ihre Wange, hinterließen einen dumpfen Schmerz, wie wenn man Eiszapfen zu lange anfasst. Lautlos stieg das fahle Pferd neben ihr, lautlos tropfte Schaum aus dem Maul auf ihren Arm, brannte sich kalt in ihre Haut, brannte düstere Male auf ihre Seele. Und mir ward Macht gegeben, zu töten das vierte Teil auf der Erde mit dem Schwert und Hunger und mit dem Tod , drang es wie ein Messer durch ihren Kopf, und wie in der Kathedrale senkte der fahle Reiter sein Schwert gegen sie und lachte voller Hohn …
    Christina drehte sich um, schrie auf, fast hätte die Schwertspitze sie berührt – tödlich berührt. Wo war der Ausgang?
    Mit einem Satz war Nial bei ihr, die Frau hatte er dafür auf den Boden sinken lassen. Er fasste Christinas Arme, schrie: »Sei nicht närrisch, Mädchen!«, und schleuderte sie förmlich in Richtung Tür. Mit Tritten trieb er sie vor sich her, dann drehte er um, fasste erneut Beths Arme und schaffte es gerade noch, sie mit einem kräftigen Ruck aus der Tür herauszuziehen, ehe der erste Dachbalken wie ein gleißendes Beil herabstürzte und die Stelle, wo Beth gelegen hatte, mit Flammen überdeckte.
    Hustend stürzten sie in den Schnee. Christina spürte seine Faust im Rücken, er stieß sie weiter vorwärts, noch weiter von dem Haus weg, und durch das Dröhnen hörte sie Beth röcheln. Nial schleifte sie noch ein paar Meter tiefer in den Schnee, dann ließ er sie fallen und sank auf die Knie.»Sie lebt, ich hab es gehört – sie lebt!«
    Christina warf sich neben ihn, fühlte jeden einzelnen seiner Finger hart an ihrer Hüfte, seine Lippen in ihrem Haar und seine ganze Erleichterung – doch er näherte sich ihr nicht weiter, und sie war ihm fast dankbar dafür, obwohl sie sich so sehr danach sehnte, sich an ihn zu pressen … War das der Stachel der Sünde?
    Von irgendwoher kam ein hohles Lachen. Ja, Mädchen. So sticht die Sünde. So sticht sie im Kopf, so sticht sie im Leib. Sie fuhr herum, suchte den fahlen Reiter, doch die Stimme hatte sie wohl nur genarrt. Nials weißes Pferd war das Einzige, was sich außerhalb des brennenden Hauses bewegte, und der am Sattel befestigte Bogen wippte im Nachtwind.
    Beth nahm ihr jeden weiteren Gedanken ab, sie rührte sich nämlich nicht mehr, und Nial rüttelte sie am Arm. Im Feuerschein wirkte das Gesicht

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