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Die Stunde der toten Augen

Die Stunde der toten Augen

Titel: Die Stunde der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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wieder. Dann brannte er sich eine Zigarette an.
    Barden beobachtete ihn dabei und sagte: „Kannst du dich erinnern, wo du deine erste Zigarette rauchtest?"
    Alf nickte bedächtig. Er hob sein Glas und sagte: „Die erste Zigarette, ja, das war bei dir. Pohlmann war dabei. Er hustete, und du klopftest ihn auf den Rücken. Er ist im September gefallen. In Holland."
    Sie tranken. Alf ließ das aromatische Getränk langsam durch die Kehle rinnen, kostete seinen Geschmack aus, bedächtig genießend,
    Barden kippte es hinunter und schüttelte sich. Dann griff er nach einer Zigarre, und während er sie umständlich beschnitt, sagte er vor sich hin: „Zu Hause ist alles in Ordnung. Ernestine wird Weihnachten heiraten. Deswegen
    komme ich unter anderem auch zu dir. Hast du Lust dabei zu sein?"
    „Ich habe meinen Urlaub gehabt."
    „Und vertrödelt, ohne zu heiraten", nickte Barden gelassen. „Es läßt sich aber machen. Eine Woche. Ich denke, wir fahren gemeinsam ..."
    Ernestine war Bardens Tochter. Alf erkundigte sich mit gerunzelter Stirn: „Wie alt ist sie eigentlich?"
    „Zwanzig", gab Barden zurück.
    „Ein bißchen früh", meinte Alf.
    Barden sagte: „Ich sehe es lieber, wenn sie heiratet. Die beiden stecken schon lange genug zusammen. So etwas darf man nicht allzu lange anstehen lassen."
    „Es ist der Hauptmann vom Luftgau, nicht wahr?" wollte Alf wissen. Barden nickte. „Ja. Ehrlicher Kerl. Goldrichtig für Ernestine, Wird nach dem Krieg wieder Pilot bei der Lufthansa."
    „Nach dem Krieg ...", sagte Alf und goß erneut die Gläser voll. „Ich glaube, nach dem Krieg wird er so alt sein, daß er nicht mehr als Pilot fliegen kann."
    Barden sah ihn eine Weile lang nachdenklich an. Dann überzog sich sein Gesicht mit einem abfälligen Grinsen.
    „Mein lieber Junge", sagte er betont, „die strategischen Fähigkeiten unseres Gefreiten reichen nicht mehr für lange aus. Der Krieg geht schneller zu Ende, als wir denken."
    „Vielleicht auch anders, als wir denken."
    „Darüber kann man nur Vermutungen anstellen. Sie fallen nicht sehr ermutigend aus, wenn man die Sache nüchtern genug be-trachtet und wenn man ein bißchen hinter die Kulissen blicken kann..."
    Alf hob das Glas und trank. „Mich quält die Vorstellung, daß wir eines Tages unsere Pistolen abschnallen und sie einem sibirischen Kommissar überreichen." Er brannte eine neue Zigarette an und hielt Barden das Streichholz hin, weil er sah, daß dessen Zigarre bereits wieder erkaltet war.
    „Unser Gefreiter...", sagte Barden, nachdenklich den Rauch zur Decke blasend. „Versuche dir vorzustellen, was geschehen wäre, wenn die Bombe von Stauffenberg ihn erwischt hätte..."
    „Dann wärst du mit deinen Englischkenntnissen vermutlich heute nicht Ic bei unserer Division, sondern Verbindungsoffizier bei den verbündeten englischen Truppen und hättest dein Quartier entweder in Paris oder bereits in Moskau."
    Barden zog nachdenklich an der Zigarre. Er war ein gedankenloser Raucher, er zog so lange an der Zigarre, bis das glühende Ende zentimeterlang war und der Rauch brandig schmeckte.
    „Versuche es dir vorzustellen ...", sagte er versonnen, „alles hätte so kommen können, und nun... Ach, laß uns davon aufhören. Ernestines Hochzeit wird im Schwarzwald sein. Wir werden ein paar schöne Tage haben."
    „Schwarzwald im Winter", sagte Alf, „das könnte mir gut tun. Hoffentlich komme ich hier weg. Ich bin skeptisch."
    „Es wird gehen", sagte Barden gelassen. „Übrigens mußt du nicht denken, daß deine Kompanie wichtiger ist als irgend etwas anderes auf der Welt."
    Alf verzog das Gesicht. Er sah den Onkel lächelnd an, so verbindlich, wie er das nur konnte, und dann sagte er: „Das weiß ich längst, und ich bin felsenfest davon überzeugt. Aber ich unterstehe dem Ic der Division."
    Sie tranken sich zu und lächelten dabei. Barden schüttelte sich wieder. Seine Zigarre stank.
    „Ehe ich es vergesse", sagte er, „wir haben jetzt einen nationalsozialistischen Führungsoffizier. Walte Gott, daß du ihn nie kennen lernst! Er beauftragte mich, mit dir über die Geschichte von den Bordellen zu sprechen ..."
    „Bordelle?" erkundigte sich Alf interessiert.
    ja, Bordelle. Es gibt das Gerücht, daß der Russe dicht hinter der Front Wohnwagen stehen hat, die als Bordelle dienen."
    „Ausgezeichnet", sagte Alf, „ich werde es meinen Männern sagen für den Fall, daß sie einmal während eines Einsatzes das Bedürfnis haben ..."
    „Hör zu", unterbrach

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