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Die Stunde der Zikaden

Die Stunde der Zikaden

Titel: Die Stunde der Zikaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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einsam?»
    «Ich brauche Ruhe. Burnout. Il Bosco wurde mir von Freunden empfohlen.»
    «Hat man bei Ihnen auch eingebrochen?»
    «Nein. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich den ganzen Tag zu Hause war.»
    «Ach.»
    «Ja, ach!» Er sah sie spöttisch an.
    Er hält mich für ein bisschen blöd, dachte Laura. Das ist gut.
    «Fürchten Sie sich nicht, allein in einem großen Haus in dieser einsamen Gegend?» Sie nickte Wanner lächelnd zu, der ihr einen zweiten Digestivo einschenkte.
    «Nein, ich hab ja Nachbarn.»
    «Wie lange bleiben Sie?»
    «So lange ich Lust habe.»
    Laura beschloss weiterzuplappern und seine Grenzen auszutesten.
    «Kennen Sie zufällig Conte Colalto? Er ist ein richtiger Graf, alter italienischer Adel!»
    «Nein, warum?» Plötzlich erschien er wachsamer.
    «Einfach so. Colalto ist eine interessante Persönlichkeit. Wir haben unser Ferienhaus von ihm gemietet.»
    «Ach.»
    Er lässt nichts raus! Laura überlegte, ob es klug war, noch mehr Fragen zu stellen, ließ es bleiben und verlegte sich aufs Beobachten. Wanner und Stamm, die beiden Schweizer, hatten Guerrini ins Gespräch gezogen, oder umgekehrt. Sie redeten darüber, wie Il Bosco sich in den letzten zehn Jahren verändert hatte, und kamen dann auf die Weine der Gegend. Plötzlich erzählte Wanner ausführlich, wie er vor einem halben Jahr ein totes Schwein am Strand gefunden hatte.
    «Ich hab es begraben, aber es kam immer wieder heraus. Irgendwelche Viecher, wahrscheinlich Füchse, haben es ständig ausgebuddelt. Ekelhaft, das kann ich Ihnen sagen. Was hier angeschwemmt wird, das bleibt! Man glaubt, dass es weg ist, und plötzlich ist es wieder da!»
    Guerrini schwenkte den Brandy in seinem Glas, Richard Stamm starrte auf den weißen Hund und Wanner auf Ruben. Interessant, dachte Laura. Ein Gleichnis? Vielleicht tauchen auch angeschwemmte Araber wieder auf. Sie beschloss, das Thema noch ein bisschen auszureizen und redete von der toten Katze, die nach dem Sturm am Strand gelegen hatte. Aber sie sah nur gleichgültige Gesichter im sanften roten Licht. Trotzdem war sie sicher, dass sie es wussten.
    «Sie haben ein sehr schönes Haus und einen außergewöhnlichen Geschmack. Ich kann nur raten, was Sie beruflich machen, aber ich bin sicher, dass es etwas mit Kunst oder Design zu tun hat. Oder irre ich mich?» Blödsinnige Versuche, das Schweigen zu durchbrechen.
    Die beiden Schweizer lächelten abwesend.
    «Ganz entfernt», murmelte der asketische Richard Stamm. «Wir sind Eventmanager. Kunstevents sind natürlich auch dabei.»
    «Interessant. Und Sie, Herr Ruben?»
    Sebastian Ruben lehnte sich in die roten Kissen zurück und verschränkte die Arme.
    «Ich bin im Urlaub. Alles andere habe ich vergessen.»
    Der weiße Hund seufzte tief und streckte sich lang auf dem roten Teppich aus.
     
    Später, in der schützenden Dunkelheit des Pinienwaldes, sagte Guerrini, dass er sich ganz ähnlich fühlte wie in seiner Kindheit. Da war ein unklares Gefühl von Bedrohung, die Signale seiner Umwelt wirkten wie eine Verschwörung. Eine Verschwörung, an der er nicht teilhatte und die er nicht durchschaute. Er fragte Laura, ob das wohl erste Anzeichen einer beginnenden Paranoia seien, die seiner Meinung nach durchaus zu den Berufskrankheiten von Polizisten zählte. Er sagte es in scherzhaftem Ton, doch Laura wusste, dass er inzwischen wirklich besorgt war. Deshalb antwortete sie: «Wenn es so ist, dann gehen wir gemeinsam zum Psychiater, denn bei mir haben die Symptome schon früher angefangen.»
    «Bei mir erst, nachdem ich mit meinem Vater telefoniert hatte.»
    «Was hat dein Vater damit zu tun?»
    «Eine Menge. Er hat mir vorgestern ein erschreckendes Detail seiner Geschäftsbeziehungen zu den Colaltos erzählt – nicht ganz freiwillig, sondern weil ich ihn direkt danach gefragt habe. Ich habe es dir bisher verschwiegen, weil ich es erst verdauen musste. Kannst du dir vorstellen, was die machen? Sie exportieren ihre verdammten Keramiken über den Hafen von Neapel! Mein Vater tat so, als wäre das ganz normal, völlig harmlos und ginge mich gar nichts an!»
    «Vielleicht ist es harmlos.»
    «Du glaubst doch nicht im Ernst, dass irgendwer in diesem Land über fünfzig Jahre lang Geschäfte in Neapel machen kann, ohne mit den ehrenwerten Familien verbandelt zu sein!» Er brüllte schon wieder.
    «Scht! Nicht so laut! Vielleicht hört jemand mit!»
    «Da hast du’s! Paranoia! Nächstes Mal fahren wir nach Australien! Da kennt uns wenigstens keiner! Ich muss

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