Die Stunde des Adlers (Thriller)
kennen nur ein paar Leute in Zürich. Das ist alles. Wieso?« Wie immer, wenn sie nervös war, griff sie sich ins halblange Haar. Dohm reichte ihr das Foto, nachdem er es kurz seiner Frau hingehalten hatte.
»Das ist Hanns-Hermann gestern Abend bei der Ankunft in Zürich.«
Simone Dohm schien sehr überrascht. Ihr Claus würde sie nie im Stich lassen.
»Woher hast du das?« Veronica de Borqueses Stimme wurde scharf.
»Das darf ich dir nicht sagen, wie wir dir eigentlich alles nicht sagen dürften. Es ist alles streng geheim.«
»Claus, es geht um Hanns. Eure verdammten Währungsspielchen interessieren mich nicht so wahnsinnig. Ich würde ohnehin lieber auf einer Polizeistation sitzen und ihn suchen lassen.«
»Veronica, bitte. Es geht hier um die nationale Sicherheit. Ganz so einfach ist das nicht. Du kannst nicht zur Polizei gehen. Mal abgesehen davon, dass die uns auslachen würden, wenn wir einen Mann suchen lassen wollten, der noch nicht einmal 24 Stunden weg ist. Das passiert andauernd.« Dohm glaubte zwar selbst nicht, was er sagte. Er versuchte nur zu beruhigen.
»Noch mal. Von wem hast du das Foto?« Veronica de Borquese sprang auf.
»Warum denn?« Dohm stand ebenfalls auf.
»Weil das Foto eine Fälschung ist.«
»Was sagst du da?,« stammelte Dohm.
»Diesen Pullover«, Veronica de Borquese zeigte auf das rote Kleidungsstück, »hat er in Venedig vergessen. Er ist in meiner Tasche, die da vorne im Flur steht. Den kann er nicht gestern Abend in Zürich getragen habe.«
»Vielleicht eine Verwechslung? Viele Pullover sind rot, Veronica.« Simone Dohm stellte eine ziemlich naheliegende Frage, während sie sich neben die beiden Streithähne stellte und das Foto betrachtete.
»Hast du eine Lupe?«, fragte Veronica, und Dohm nickte verwirrt.
»Kannst du sie mir bitte bringen?«
Während Dohm die Lupe holte, zog de Borquese den Pullover aus ihrer Tasche.
»Hier fehlt der Schiebergriff des Reißverschlusses.« Sie hielt den Dohms den Pullover direkt unter die Nase. »Sieh nach!«
»Du hast recht.« Mit der Lupe konnte man den kaputten Verschluss klar erkennen. Claus Victor Dohm fiel zurück auf die Couch.
»Also, von wem hast du das Foto? Wir müssen zur Polizei.«
»So einfach ist das nicht, Veronica. Es handelt sich um Finanzstaatssekretärin Anna-Maria Kuhn, und das Foto ist angeblich vom Bundesnachrichtendienst. Der BND oder das BKA würden dich sofort festnehmen. Meinetwegen auch der Verfassungsschutz.«
»Warum das denn? Warum denn mich? Seid ihr alle paranoid geworden?«
»Überleg doch mal …«
»Das tu ich doch die ganze Zeit.«
»Ist ja gut, Veronica, lass uns jetzt bitte nicht streiten. Aber wenn das eine Fälschung ist, dann stecken die Leute dahinter, die uns diese verdammte D-Mark wiederbringen wollen. Die verbreiten sich seit Tagen wie die Pest. Wir sind nicht mehr Herr des Verfahrens, so leid es mir tut, das sagen zu müssen«. Dohm hatte nur einen kurzen Augenblick gebraucht, um das zu analysieren. Und eine weitere Sekunde später fühlte er sich schuldig, dass er seinen Freund Triple H wirklich verdächtigt hatte. Und noch eine Sekunde später wusste er, dass nicht nur von Hartenstein, sondern die ganze Bundesbank und er tief in der Scheiße saßen.
»Was machen wir dann?«
»Jetzt müssen wir scharf nachdenken, und zwar zu dritt. Alle setzen.« Simone Dohm übernahm das Kommando. »Außer uns dreien weiß niemand, dass das eine Fälschung ist, oder?«
»Was meinst du damit, Schatz?«
»Entschuldige, Veronica«, setzte Simone Dohm an, »aber entweder ist Hanns tot oder irgendwie entführt. Ist er Letzteres, sollten wir die Entführer nicht unbedacht beunruhigen.«
12.00 Uhr
Die Arbeit der Projektgruppe Operation D-Day gestaltete sich perfekt. Nach ihrer Rückkehr aus Dohms Büro hatte Kuhn die Sitzungsleitung wieder übernommen und den verblüfften Bundesbankern und Staatssekretären im Detail erklärt, dass Baron Hanns-Hermann von Hartenstein geflüchtet war. Eva-Maria Christ hatte lange auf die zweite Kopie des Fotos geschaut, so als prüfe sie die Echtheit. Für sie war das einfach nicht vorstellbar. Von Hartenstein würde doch niemals seine Pflicht verletzen.
Kuhn aber hatte sich auf gar keine Diskussionen einlassen wollen. Stattdessen hatte sie Klein umgehend gebeten, den Stand der Dinge zu erläutern. Denn momentan ging es nur um die Bargeldversorgung und die Giralgelder auf den Bankkonten. Bilanzumstellungen, Parallelwährungen und die EZB-Probleme waren Dinge,
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