Die Stunde des Jägers - EXOCET
Aktenmappe. Er steckte die Waffe in die große Tasche an seinem linken Hosenbein, klappte die Aktenmappe auf und nahm ein großformatiges Schwarzweißfoto heraus. Es war gestern am späten Nachmittag mit einem Teleobjektiv aufgenommen worden und zeigte den Botschaftereingang an der Seite des Buckingham-Palasts. An der Mauer und unter dem Portikus standen Leitern. Vor allem aber waren zwei oder drei Fenster über dem flachen Dach des Portikus ein wenig geöffnet.
Villiers steckte das Foto in die Mappe zurück und schob das kleine Brett wieder zur Seite. »Fünfundzwanzig Minuten, Harvey. Wenn ich bis dahin nicht wieder da bin, hau ab, so schnell du kannst.«
»Red nicht lange, in so einer Nacht brauch ich keine Unterhaltung«, antwortete Jackson. »Beeil dich, damit wir wieder nach Hause können.«
Villiers schloß die Öffnung, stieg auf die Bank und klappte eine Luke im Wagendach auf. Er hangelte sich hinauf, machte die Luke hinter sich zu und zog wegen des Regens unwillkürlich den Kopf ein. Er kletterte die Mauer hinauf, kroch vorsichtig über den Stacheldraht, langte nach einem dicken Zweig, turnte daran entlang und ließ sich in das Dunkel fallen.
3
Der Polizist, der an jenem Morgen am Ende des Palastgartens zum Grosvenor Place hin Dienst hatte, haderte mit seinem Schicksal. Bis auf die Haut durchnäßt, hatte er mißmutig und frierend unter einem Baum Schutz gesucht, als der Schäferhund neben ihm plötzlich leise winselte.
»Was ist denn, Junge?« fragte er, im Nu wieder wach, und ließ den Hund von der Leine. »Such, such!«
Der Schäferhund sauste davon, aber Villiers, der zwanzig oder dreißig Meter neben einem Baum stand, hatte das Winseln gehört und hielt bereits die Sprühdose, die in einer anderen Tasche des Overalls gesteckt hatte. Der auf lautlosen Angriff abgerichtete Schäferhund warf sich gegen ihn, und sein rechter Arm, dessen Ärmel für eben diesen Fall wattiert war, sauste hoch. Der Hund verbiß sich in das dicke gesteppte Material, und Villiers sprühte ihm Ärosol an die Schnauze. Das Tier fiel ohne einen Laut zu Boden und blieb regungslos liegen.
Einen Augenblick später näherte sich der Polizist langsam.
»Rex, wo bist du?«
Villiers hob die Hand und streckte ihn mit einem brutalen Kantenschlag in den Nacken nieder. Der Mann stöhnte, ehe er umkippte. Villiers drehte ihm die Arme auf den Rücken, legte ihm die eigenen Handschellen an, zog das Funkgerät aus seiner Tasche und steckte es ein. Dann eilte er durch den dunklen Park zur Rückseite des Palasts.
Harvey Jackson stieg aus dem Wagen und öffnete die Ladetür. Er langte hinein, fand ein paar Enterhaken, beugte sich dann über den Einstieg zu seinen Füßen und hob den Deckel ab. Er nahm eine Inspektionslampe an einer langen Schnur aus dem Wagen und ließ sie in das Loch hinunter, baute dann ein rotes Warnschild ACHTUNG, BAUARBEITEN und einige segeltuchbespannte Stellwände auf und legte eine Plane darüber. Er stieg in das Loch, öffnete einen der Telefonkästen, warf einen Blick auf die verwirrende Vielfalt bunter Drähte und Schalter, lehnte sich zurück und wartete.
4
Ungefähr fünf Minuten später ertönte Motorengeräusch, und er richtete sich auf und beobachtete über dem Rand des Einstiegs, wie ein Streifenwagen am Bordstein hielt. Der Fahrer lehnte sich aus dem Fenster und griente.
»Harter Job. Das haben Sie davon, daß Sie zur Queen gegangen sind.«
»Sie etwa nicht?« sagte Jackson.
»Hoffentlich kriegen Sie wenigstens Überstundengeld. Mitten in der Nacht zu arbeiten.«
»Darauf kann ich lange warten.«
Der Polizist grinste wieder. »Passen Sie auf. Wenn es so weiterregnet, werden Sie zum Frühstück da drin schwimmen.«
Er fuhr weiter, und Jackson zündete sich eine Zigarette an, setzte sich wieder hin, pfiff ein Lied und dachte daran, wie Villiers wohl zurechtkam.
Villiers hatte zu seiner Erleichterung festgestellt, daß die Leitern der Arbeiter noch unter dem Portikus standen, und war ohne Schwierigkeiten auf das flache Dach über dem Botscha ftereingang gestiegen. Zwei der Fenster waren tatsächlich geöffnet. Er balancierte auf einem Sims zu dem nächsten, schob den Flügel weiter hoch und krabbelte in einen kleinen Büroraum. Vorsichtig öffnete er die Tür und betrat einen dunklen Korridor.
Die königlichen Gemächer befanden sich auf der anderen Seite des Bauwerks. Da er sich lange mit den Plänen befaßt hatte, die man ihm gegeben
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