Die Stunde des Jägers - EXOCET
Filmberichte. Ein Kommentator beschrieb einen ungewissen Angriff, der – offenbar an jenem Morgen – von argentinischen Skyhawks auf britische Einheiten
62
geflogen wurde.
Seine Stimme wurde vor Aufregung laut, als er den Weg einer Rapier-Rakete beschrieb, und dann war ein lauter Knall zu hören: Eine Skyhawk war zerstört wo rden.
Einige Leute der Gruppe klatschten Beifall, und einer rief triumphierend: »Den hat’s erwischt!«
Was sie beobachteten, war der Feind, Flugzeuge, die ihre Soldaten töten wollten. Einer dieser Soldaten war Gabrie lles Halbbruder Richard. Sie wußte, daß er auf einem der beiden Flugzeugträger dreihundert Kilometer westlich von San Carlos stationiert war, aber das bedeutete keineswegs Sicherheit. Hubschrauberpiloten wie Richard flogen täglich in die Gefahrenzone, und ihre Träger waren das bevorzugte Ziel argentinischer Raketen. Gabrielle betete, daß Gott Zweiundzwanzigjährige schützen möge.
Übelkeit packte sie, und sie wandte sich ab. Sie hatte an Raul denken müssen.
Gott sei Dank, daß er zu alt ist, um diese Dinger zu fliegen, dachte sie und eilte auf die Straße hinaus.
Raul Montera war in diesem Augenblick achtzig Kilometer von der Südspitze Argentiniens entfernt, fünfhundert Fuß hoch, und er versuchte, eine Skyhawk, die den größten Teil ihres Hecks verloren hatte und eine ölige Qualmwolke hinter sich her zog, zur Basis zu geleiten.
Der Junge in der Kanzel war schwerverletzt; Montera wußte das und hatte seit langem jeden Versuch aufgegeben, nach den Vorschriften zu handeln.
»Halt aus, Jose, jetzt dauert’s nicht mehr lange.«
»Sinnlos, Oberst.« Die Stimme des Jungen war müde. »Sie geht runter. Ich kann sie nicht mehr halten.«
Als der Bug der Skyhawk nach unten kippte, rief Montera: »Schleudersitz!«
»Und dann erfrieren?« Der Soldat lachte erschöpft. »Ist doch
63
dasselbe.«
»Leutnant Ortega!« rief Montera. »Klinken Sie den Schleudersitz aus. Das ist ein Befehl!«
Eine Sekunde später löste sich das Dach der Kanzel, und der Junge wurde hinauskatapultiert. Montera folgte ihm nach unten und gab die Position zum Stützpunkt durch, schaute dem Fallschirm nach und hoffte, daß die Luft/See-Rettungseinheit rechtzeitig zur Stelle sein würde.
Er schwenkte schnell herum, als Ortega ins Wasser fiel, und sah, wie er sich aus dem Leinengewirr des Fallschirms befreite. Das Rettungsboot blies sich automatisch auf, und er beobachtete, wie der Junge hineinzukrabbeln versuchte.
Am Instrumentenbrett ertönte ein warnendes Summen, das ihm sagte, er habe nur noch wenig Treibstoff. Er schwenkte noch einmal herum, wackelte kurz mit den Tragflächen und nahm Kurs zur Küste.
Als Montera in Rio Gallegos aus der Kanzel der Skyhawk kletterte, untersuchte Sergeant Santerra, der Leiter des technischen Teams, bereits die Maschine und schüttelte den Kopf.
»Sehen Sie sich um Himmels willen das Heck an, Oberst, Granatsplitter, mindestens vier. Überall durchlöchert.«
»Ich weiß. Wir sind auf dem Weg nach San Carlos von ein paar Harriers verfolgt worden. Sie haben Santini erwischt. Der kleine Ortega hätte es fast geschafft, aber er mußte etwa achtzig Kilometer vor der Küste aussteigen.«
»Sie haben immer wieder Glück, Oberst. Nicht zu fassen. Ich verstehe das nicht. Eigentlich müßten Sie schon seit Tagen tot sein.«
»Ich führe es auf die Liebe einer Frau zurück.« Raul Montera langte nach oben und berührte den Schriftzug an der Seite des Cockpits: Gabrielle. »Ich danke dir, Liebling.«
Als er im Einsatzgebäude den Nachrichtenraum betrat, erblickte er nur Major Pedro Munro, einen Argentinier schotti
64
scher Abstammung, den leitenden Nachrichtenoffizier.
»Ah, da sind Sie ja, Raul. Vielleicht ist es das letztemal, daß Sie durch diese Tür kommen«, bemerkte Munro fröhlich.
»Vielen Dank«, antwortete Montera. »Haben Sie etwas über Ortega gehört?«
»Noch nicht. Was haben Sie mir zu berichten?«
Montera nahm eine Zigarette aus der Schachtel, die auf dem Schreibtisch lag. »Es war wieder mal die Hölle. Es gab einige Tote.«
Munro erwiderte kühl: »Dürfte ich vielleicht auch etwas Konkretes haben? Haben Sie etwas versenkt?«
»Ich glaube nicht«, sagte Montera. »Aus dem guten Grund, daß meine Bomben wieder mal nicht detoniert sind. Könnten Sie nicht dafür sorgen, daß die verdammten Zünder richtig eingestellt
Weitere Kostenlose Bücher