Die Stunde des Jägers - EXOCET
bereits, daß sie sich auf der Westseite befanden.
Er senkte den Feldstecher. »Gut. Meinetwegen können wir
80
zurück.«
Sie gingen wieder zum Citroen, und Kemal wendete und fuhr los.
Auf dem Rückweg kamen sie an der Maison Blanche vorbei. Als sie einige hundert Meter weiter auf die Straße nach Lancy einbogen, beugte Bobst sich vor und tippte Kemal auf die Schulter.
»Halt mal kurz. Was haben wir denn da?«
Auf der Wiese neben den Bäumen standen drei alte, klapprige Wohnwagen mit vielfach geflickten Zeltverdecken an einem Feuer. Alles, von den Kleidern der vier Frauen, die an den Flammen hockten und Kaffee aus Blechbechern tranken, bis zu den zerlumpten Kindern, die an dem Bach spielten, wo drei dürre Pferde weideten, strahlte mitleiderregende Armut aus.
»Zigeuner?« fragte Bobst.
»Ja, der Makler hat gesagt, hier in der Gegend gibt es welche. Er hat behauptet, sie sind kein Problem.«
»Was sollte er sonst auch behaupten?« antwortete Bobst. »Statten wir ihnen einen Besuch ab, Yanni. Sie könnten nützlich für uns sein.«
Als sie sich den Bäumen näherten, blickten die Frauen ihnen neugierig entgegen, sagten aber nichts. Bobst blieb vor ihnen stehen, steckte die Hände in die Taschen und fragte: »Wo ist euer Anführer?«
»Hier, Monsieur.«
Der Mann, der aus der Baumgruppe getreten war, war mindestens siebzig Jahre alt. Über seinem rechten Arm hing eine Flinte mit abgeknicktem Lauf. Er trug einen Tweedanzug, vielmehr das, was einmal ein Tweedanzug gewesen war, und unter seiner blauen Baskenmütze quoll dichtes, schlohweißes Haar hervor. Sein stoppelbärtiges Gesicht war runzlig und gegerbt.
»Darf ich fragen, wer Sie sind?« sagte Bobst.
81
»Ich bin Paul Gaubert, Monsieur. Ist es auch erlaubt, Ihren Namen zu wissen?«
»Ich heiße Bobst. Ich bin der neue Mieter der Maison Blanche. Ich denke, ich irre mich nicht, wenn ich sage, daß Sie auf meinem Land kampieren.«
»Aber Monsieur, wir sind jedes Jahr um diese Zeit hier. Bisher hat noch niemand etwas dagegen gehabt.«
Der junge Mann neben ihm war mittelgroß und hatte ein weichliches, mürrisches Gesicht. Auch er hatte dringend eine Rasur, nötig. Er war ebenso schäbig gekleidet wie der Alte und hatte blauschwarzes Haar. Außer einer Flinte trug er noch ein paar erlegte Hasen.
Bobst musterte ihn, und Gaubert sagte hastig: »Mein Sohn, Paul.«
»Mit meinen Hasen, wenn ich nicht irre? Ich wüßte gern, was der Gendarm von St. Martin dazu sagen wü rde.«
Der alte Gaubert breitete die Arme aus. »Bitte, Monsieur, überall, wohin wir kommen, ist es das gleiche. Dreckige Zigeuner, sagen sie. Sie spucken uns an, und unsere Kinder müssen hungern.«
»Na gut.« Bobst zückte sein Portemonnaie. »Ich brauche die rührselige Geschichte nicht. Ihr könnt bleiben.« Er nahm ein paar Tausendfranc-Scheine heraus und steckte sie in Gauberts Brusttasche. »Das dürfte fürs erste reichen. Übrigens, ich habe etwas gegen Fremde, verstehen Sie?«
Der alte Mann holte die Scheine heraus, betrachtete sie und lächelte breit. »Ich denke ja, Monsieur.«
»Passen Sie ein bißchen auf das Haus auf, bis ich wieder zurückkomme. Ich oder Monsieur Kemal, mein Angestellter.«
»Verlassen Sie sich auf mich«, antwortete Gaubert und puffte seinen Sohn, der Wanda allzu offensichtlich mit Blicken verschlang, heftig in die Seite.
Sie gingen zum Citroen zurück, und als Kemal angefahren
82
war, fragte Wanda: »Und nun?«
»Paris. Ich muß mit diesem argentinischen Piloten, diesem Montera, sprechen. Garcia hat gesagt, er habe zwölf Einsätze zu den Falklandinseln geflogen und überlebt.«
»Ein wahrer Held«, bemerkte sie. »Ich dachte, so was ist aus der Mode gekommen.«
»Ich auch, aber dieser Bursche scheint einer zu sein, und er eignet sich hervorragend für das, was ich vorhabe. Wenn ich mit ihm fertig bin, wird er weltberühmt sein.«
8
Wegen der Lage auf den Falklandinseln versammelten sich neuerdings ungewöhnlich große Mensche nmengen in Downing Street, und die Polizei sah sich gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen; sie riegelte die Straße weitgehend ab.
Als Ferguson seinen Sonderausweis vorzeigte, wurde sein Wagen durchgewinkt und hielt dann vor Nr. 10, wo er fünf Minuten vor seinem Termin bei der Premierministerin ausstieg. Der diensthabende Polizist salutierte, die Tür wurde geöffnet, noch ehe Ferguson sie erreicht hatte, und er
Weitere Kostenlose Bücher