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Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)

Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)

Titel: Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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saß noch der dicke Gary auf einem der unbequemen Besucherstühle, dessen Plastiksitzfläche sich unter seinem Gewicht bedenklich durchbog. Er sah auf und nickte, als Logan eintrat. Das war es also. Diesmal würde er richtig Ärger bekommen.
    »Sergeant McRae«, sagte Napier und nahm an seinem tadellos aufgeräumten Schreibtisch Platz. »Wie Sie sehen können, habe ich Ihren Gewerkschaftsvertreter gebeten, an dieser Besprechung teilzunehmen.« Er lächelte kalt in Garys Richtung. »Aber bevor wir beginnen, möchte ich noch betonen, wie erschüttert wir alle über die Nachricht von PC Maitlands allzu frühem Ableben sind. Er war ein guter Polizeibeamter und wird von seinen Kollegen und Freunden schmerzlich vermisst werden. Unsere Gedanken und Gebete gelten seiner Witwe und …« Napier schielte auf ein Blatt Papier, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag, »… seiner Tochter.«
    Und dann musste Logan noch einmal schildern, wie er die Razzia verbockt hatte, während Napier ernst nickte und der dicke Gary sich Notizen machte. »Ihnen ist natürlich auch klar«, sagte Napier, nachdem Logan geendet hatte, »dass das zeitliche Zusammentreffen der Ereignisse für uns ein wahrer Glücksfall ist.« Er hielt die Morgenausgabe der Press and Journal hoch. Die Schlagzeile FLAMMENDES INFERNO – VIER TOTE ! erstreckte sich über die ganze Breite des Titelblatts; darunter prangte ein Foto der noch immer brennenden, von Löschfahrzeugen umstellten Hausruine vor dem Hintergrund des Nachthimmels. »Diese Brandstiftungsgeschichte ist für die Öffentlichkeit von viel größerem Interesse. Zudem haben die Zeitungen erst von Constable Maitlands Ableben erfahren, als ihre zweiten Ausgaben schon im Druck waren. Natürlich können wir davon ausgehen, dass ›prominente Mitbürger‹ wie Stadtrat Marshall …« – aus Napiers Mund klang es wie der Name einer ansteckenden Krankheit – »ihre Meinung zu dem Thema publik machen werden.«
    Logan unterdrückte ein Stöhnen. Dieser aufgeblasene, schmierige Perversling würde seinen großen Tag haben.
    »Selbstverständlich muss bei Ihrem Dienstaufsichtsverfahren nunmehr berücksichtigt werden, dass während der Operation, die Sie organisiert, personell ausgestattet und geleitet haben, ein Beamter ums Leben gekommen ist«, fuhr Napier fort, der das Ganze regelrecht zu genießen schien. »Wenn die Untersuchung zu dem Ergebnis kommt, dass Sie fahrlässig gehandelt haben, müssen Sie damit rechnen, degradiert und möglicherweise aus dem Polizeidienst entfernt zu werden. Es ist auch nicht auszuschließen, dass es zu einem Strafverfahren kommt.«
    Der dicke Gary rückte auf seinem schwer geprüften Plastikstuhl vor und runzelte die Stirn. »Ich glaube, es ist ein bisschen verfrüht, hier von einem Strafverfahren zu reden, finden Sie nicht? Sergeant McRae ist keiner Straftat für schuldig befunden worden.« Der stumme Inspector in der Ecke bekam Zuckungen.
    Napier hob die Hände. »Gewiss, gewiss. Ich entschuldige mich. Ihr Gewerkschaftsvertreter hat vollkommen recht: Es gilt die Unschuldsvermutung, im Zweifel für den Angeklagten, und so weiter und so fort.« Er stand auf und öffnete die Tür. »Ein Termin für die Anhörung wird im Laufe des Tages festgesetzt werden. Sie können jederzeit gerne vorbeischauen, falls Sie die Angelegenheit noch eingehender besprechen möchten.«
    Vernehmungsraum 6 war gerade frei, also beschlagnahmte ihn der dicke Gary, um mit Logan ein kleines Motivationsgespräch zu führen. Scheiß auf Napier. Logan hatte sich doch nichts vorzuwerfen, oder? Nein. Also hatte er auch nichts zu befürchten: Das Dienstaufsichtsverfahren würde mit einem Freispruch enden, es würde noch ein bisschen geschwafelt werden von wegen »Lektion gelernt« und so weiter, und dann hätten sich alle wieder lieb, und das Leben würde weitergehen wie bisher. Für alle, dachte Logan, außer für PC Maitland.
    Als der dicke Gary gegangen war, ließ Logan den Kopf in den Nacken fallen und starrte finster zur Decke hinauf. Dieser blöde Napier mit seiner verdammten Hexenjagd – als ob er wegen Maitlands Tod nicht schon genug Schuldgefühle hätte! Wann immer sich die kleinste Chance bot, einen runterzumachen, zu bedrohen oder einfach nur von oben herab zu behandeln, immer war Napier zur Stelle, um Salz in die Wunden zu streuen, die er einem selbst beigebracht hatte. Und für wen hielt er sich eigentlich, dass er Logan aufforderte, dafür zu sorgen, dass Steel in der Presse nicht fertiggemacht wurde?

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