Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)
Luca Tretjak . Er drückte auf die Klingel.
»Hallo?«
»Entschuldigen Sie bitte, ich spreche kein Niederländisch. Ich würde gerne mit Luca Tretjak sprechen«, sagte Treysa in Richtung der Sprechanlage.
»Ich kann Sie gut verstehen, ich spreche Deutsch. Was wollen Sie von Luca Tretjak?« Die Stimme klang hoch, es war nicht eindeutig, aber Treysa vermutete eine Frau.
»Mein Name ist Stefan Treysa. Ich bin ein Freund seines Bruders, Gabriel Tretjak. Über ihn würde ich gerne mit Luca Tretjak sprechen.«
Keine Antwort. Ein paar Sekunden, vielleicht eine halbe Minute. Dann summte der Türöffner. »Kommen Sie hoch, zweiter Stock.«
Sie stand in der Tür. Blond, schwarzes Kleid. Roter Lippenstift. Hartes Gesicht. Jung, aber nicht mehr ganz jung. »Kommen Sie rein.«
Große Wohnung. Hohe Wände. Ein Gang voller Spiegel. Sie ging voraus in eine Art Esszimmer. Großer Tisch, großer Raum. An einer Wand wieder ein Spiegel. Sie deutete auf den Tisch. »Nehmen Sie doch bitte Platz. Kann ich Ihnen etwas anbieten? Ich habe gerade einen Tee gekocht. Möchten Sie auch?«
»Sehr gerne.« Als sie den Raum verließ, schaute sich Treysa um. Ein Blumenstrauß, eine rote Couch. Bilder, moderne Bilder. Eine Plastik. Schwarz und weiß. Kugeln, Vierecke, er konnte nicht erkennen, was es darstellen sollte.
Sie kam zurück und stellte das Tablett auf den Tisch. Zwei Tassen, auf beiden waren barbusige Pin-up-Girls zu sehen. Und die Teekanne, schwarz mit goldenem Henkel. »Sie sind also ein Freund von Gabriel Tretjak«, sagte sie.
»Ja«, sagte Treysa. »Ist Luca Tretjak denn da?«
»Nein, leider«, sagte sie.
Er wartete, dass sie sagte, wer sie sei. Oder wann er wieder da sei. Aber sie setzte sich hin und sagte nichts. Sie lächelte auch nicht. Sie blickte ihn nur an.
Treysa fing an zu reden, weil er unruhig wurde und auch weil er sich vorgenommen hatte, dem Bruder klar zu sagen, warum er hier war, also konnte er auch schon mal bei dieser Frau damit beginnen. »Gabriel hat seinen Bruder lange nicht gesehen. Ich finde, das sollte sich ändern. Ich finde, die beiden sollten wieder anfangen, miteinander zu reden.«
»Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist«, sagte sie mit regungslosem Gesicht.
»Wieso glauben Sie das?«, fragte er.
Sie sagte nichts.
»Entschuldigen Sie«, fragte Treysa, »aber darf ich Sie fragen, in welcher Beziehung Sie zu Luca Tretjak stehen?«
»Das dürfen Sie. Ich bin ein Freund. Und ich bin so etwas wie seine Stimme, gelegentlich.«
»Schauen Sie, Gabriel hat um seine Vergangenheit eine Mauer gebaut, und ich denke, das tut ihm nicht gut.«
»Vielleicht sind sich die Brüder doch ein bisschen ähnlich«, sagte sie. »Luca hat jetzt beschlossen, eine solche Mauer zu bauen. Es ist eine Art Friedhofsmauer.« Und dann lachte sie. Überraschend laut. Und noch überraschender war die Bewegung, mit der sie sich eine Zigarette anzündete. Treysa konnte es nicht anders wahrnehmen: Es war eine männliche Bewegung. Er war vorhin derart angespannt gewesen, in Beschlag genommen von der Situation, in diese fremde Wohnung zu kommen, dass er nicht genau hingeschaut hatte. Aber jetzt schaute er hin: Diese Frau war keine Frau. Blonde Haare, schwarzes Kleid, hochhackige Schuhe, aber sie war ein Mann. Ein schmaler Mann, stark geschminkt.
»Darf ich fragen, wie Sie heißen?«, fragte Treysa.
»Nein, das dürfen Sie nicht. Mein Name spielt keine Rolle. Aber darf ich Sie etwas fragen?«
»Bitte.«
»Was für eine Beziehung hat Gabriel Tretjak zu Frauen?«
»Ich würde sagen … Ich denke, er würde es auch sagen: Er mag Frauen, er kennt viele Frauen, und sehr lange dauern die Beziehungen nicht.«
»Wissen Sie etwas über Gabriels Mutter?«
»Nicht sehr viel«, sagte Treysa, »sie ist früh gestorben. Muss ein schlimmer Tod gewesen sein.«
»Luca hat viel von seiner Mutter erzählt, sehr viel.«
»Was hat er denn erzählt? Das interessiert mich sehr.«
Keine Antwort. Stattdessen die Frage: »Und was ist Gabriel für ein Mann? Ist er ein richtiger Mann?« Jetzt klang ein wenig Spott in der Stimme.
»Mein Gott, ja, ich würde sagen: ja. Aber was heißt das schon, ein richtiger Mann, heutzutage?«
»Gute Frage. Mögen richtige Männer auch mal eine richtige Frau sein?« Er stand auf. »Warten Sie einen Augenblick, ich hole nur kurz meine Handtasche.«
Ja, er . Treysa war sich jetzt völlig sicher, wie er ging auf den hohen Schuhen, geübt, sicher, aber eben ein Mann. Konnte das Luca sein? Nein, zu jung, viel
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