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Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Titel: Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Landorff
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Zunächst war sein eigenes Leben dran, das Leben des blonden Homosexuellen, der gern Frauenhaare trug und noch lieber Frauenkleider. Der schon als Junge erkannt hatte, was es bedeutete, schön zu sein. Wer ihn alles hatte haben wollen, berühmte Leute, böse Leute, Männer und auch ein paar Frauen. »Ich bin sicher ein paarmal auch vergewaltigt worden, aber wissen Sie was, insgesamt hat es mir Spaß gemacht.«
    Ein anderer Satz von Marko, den sich Treysa gemerkt hatte, war: »Ich habe das alles von meinen Eltern, die sicher homosexuell waren, ohne dass sie es jemals gemerkt haben.«
    Es war nicht seine Schönheit, sagte er, die ihn mit Luca zusammengebracht hatte, es war seine Verlorenheit. »Bei Luca war es die einzige Währung, die zählte.«
    Marko fragte: »Sie wissen, was Lucas Problem ist?«
    Treysa sagte etwas von schlimmer Kindheit, von möglichen Traumata.
    »Unsinn«, sagte Marko, »Luca kann nicht sprechen, er ist stumm. Wenn er etwas sagen will, tippt er es in seinen Computer. So ist es oft, aber nicht immer. Manchmal kann Luca doch sprechen, mit seiner wundervollen Stimme. Ganz normal, und plötzlich ist es dann wieder vorbei. Keiner weiß, warum das passiert.«
    »Seit wann ist das so?«, fragte Treysa.
    »Ich kenne ihn nicht anders. Man sagt, es fing nach dem Tod seiner Stiefmutter an, dieser fürchterlichen Stiefmutter.«
    »Hat er es mal mit einem Psychologen versucht?«
    »Ach, die Psychologen. Luca hatte bestimmt zehn. Ich bestimmt zwanzig. Und schauen Sie nur mich an: Hat es was gebracht?«
    »Verstehen Sie bitte meine Frage nicht falsch«, sagte Treysa, »aber ich habe mich mal intensiv mit Menschen beschäftigt, die ihre Stimme verloren haben. Es schien mir, dass in diesen Menschen tief drinnen etwas ist, das es sie genießen lässt, nicht mehr sprechen zu müssen. Wie ist das bei Luca?«
    »Das ist eine gute Frage. Ich habe es mir oft überlegt: Kann Luca nicht sprechen, oder will er es nicht?«
    »Erzählen Sie mir von seiner Kindheit«, sagte Treysa.
    »Ach, ist doch alles langweilig. Die Stiefmutter eine böse Türkin, schon böse, bevor sie krank wurde. Sie kapierte nicht, dass Luca anders war, schon früh, ganz sicher dann in der Pubertät. Der Vater ein Macho, der auch nichts verstand. Und der Bruder, Mutters Liebling. Den Rest denken Sie sich bitte. Eine traurige, langweilige Geschichte.«
    »Was ist zwischen Gabriel und Luca passiert?«, fragte Treysa.
    »Was passiert ist? Sie wissen doch, Gabriel hat irgendwann angefangen, seine Familie wegzuräumen. Den Vater hoch in ein Bergdorf. Und Luca steckte er in ein Kloster, auch in den Bergen. Er sollte für immer hinter diesen Mauern verschwinden. Gabriel hat viel Geld dafür ausgegeben. Doch da täuschte er sich, Luca kehrte zurück.«
    »Wie lange war er in diesem Kloster? Was war das für ein Leben?«
    »Das langweilt mich. Lassen Sie uns über etwas anderes reden.«
    »Haben Sie mal versucht, Gabriel zu treffen?«, fragte Treysa.
    »Ja«, sagte Marko, »einmal habe ich es versucht. Gabriel hat in München ein Stammlokal, ein italienisches Restaurant. Da sah ich ihn sitzen. Ein schöner Mann. Aber ich habe ihn nicht angesprochen, ich sah den Panzer, ich spürte ihn. Da kommt nichts durch. Das kenne ich von Luca, der hat den auch. Wissen Sie, Luca ist sehr stark, enorm stark. Da täuschen sich viele, so zart er wirkt, er ist bärenstark in all seiner Verlorenheit, in all seiner Verzweiflung.«

    Am letzten Abend in Amsterdam hatten sich Marko und Treysa in einer Hotelbar verabredet. Sie hatten schon ein paar Stunden zusammengesessen, als er plötzlich dastand. Luca Tretjak. Schwarze Hose, weißes Hemd. Sehr kurze, rotgefärbte Haare. Schwarzer Lippenstift. Er gab Treysa die Hand, machte eine Geste, dass er nicht sprechen könne. Er küsste Marko. Und setzte sich dazu.
    Es dauerte eine Zeit, bis Luca Tretjak sein iPad auf den Tisch legte, ein paar Worte eintippte und den Bildschirm Richtung Treysa drehte. Wie geht es Gabriel? , hatte er geschrieben.
    »Ich glaube, nicht so gut«, sagte Treysa.
    Luca tippte wieder. Wenn Gabriel möchte, können wir uns treffen. Vielleicht können wir sogar reden. Lucas Augen lachten kurz, um dann sehr eisig zu werden.
    Dann war er aufgestanden, und Marko auch. Es war das Ende der Begegnung gewesen. Luca gab Treysa die Hand und sagte: »Auf Wiedersehen.« Die Stimme war da, und sie hatte wirklich einen sehr besonderen Klang.

3
    Die Fessel
    Gabriel Tretjak spürte, dass sein hungernder Körper eine neue Phase

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