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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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Auch wenn er noch keineswegs am Ziel war.
    Er ließ zwei anderen Fahrgästen den Vortritt und quälte sich dann von seinem Sitz. Die Sonne schlug auf ihn ein. Er wusste, dass der Busfahrer hinter ihm hersah, als er durch die flirrende Hitze zur Straße wankte, doch das konnte er nicht ändern. Auf dem Gehsteig wichen ihm die Passanten aus. Als er auf der gegenüberliegenden Seite das Schild der Klein Windhoek Pharmacy entdeckte, trat er auf die Fahrbahn hinaus. Neben ihm quietschten Bremsen, und eine Stimme beschimpfte ihn lautstark. Er hustete, spuckte Blut und krümmte den Oberkörper. Dann torkelte er über die Straße, ohne zur Seite zu sehen. Dieses verdammte Brennen! Er betrat die Apotheke und verlangte keuchend etwas gegen Schmerzen.
    «Sie müssen zum Arzt!», sagte die Apothekerin.
    «Gleich», stieß er hervor.
    «Nein, sofort! Ich rufe Ihnen einen Krankenwagen.»
    «Ich … ich nehme ein Taxi. Das geht schneller», keuchte er. Er legte einen Hundert-Dollar-Schein auf den Tresen. «Erst etwas Starkes. Gegen Schmerzen!»
    Die Frau brachte eine Schachtel Tabletten an, drückte zwei heraus und löste sie in einem Glas Wasser auf. Er trank und steckte die Schachtel ein. Als er wieder draußen war, schluckte er weitere sechs Tabletten. Die Schmerzen fraßen ihn auf, doch er quälte sich weiter, an einem Spielsalon vorbei, über die Kreuzung bis zur Post an der Nelson Mandela Avenue. Vor dem Eingang standen drei Telefonsäulen. Er lehnte sich an den Plexiglasschutz der ersten, nahm den Hörer ab und steckte eine Telefonkarte ein. Die Nummer wusste er auswendig. Er starrte auf die Ziegelmauer des Postgebäudes und versuchte sich zu konzentrieren. Am anderen Ende wurde abgenommen.
    «Ich bin es», sagte er.
    «Ja, alles in Ordnung», sagte er. Gleich würden die Tabletten wirken.
    «Nein, mir geht es ausgezeichnet», sagte er.
    Er hörte zu. Neben der Telefonsäule stand ein Wartehäuschen. Zwei Frauen saßen dort im Schatten. Das bedeutete nichts. Er sagte: «Gut, wird erledigt.»
    «Nein, keine Fragen», sagte er. Jemand, mit dem es zu Ende ging, hatte keine Zeit, Fragen zu stellen.
    «Außer …» Er zögerte. Die Schmerzen tobten durch seinen Körper. Ein kurzes grollendes Husten brach aus ihm heraus.
    «Ist nicht so wichtig», japste er und versuchte, den Hörer einzuhängen. Das Ding glitt über die Gabel, fiel und baumelte an der Strippe über dem Boden. Als er sich hustend danach bückte, stürzte er. Er blieb am Fuß der Säule liegen, tastete nach der Sporttasche und zog sie zu sich heran. Die durfte ihm niemand klauen, die brauchte er noch. Die beiden Frauen im Wartehäuschen sahen zu ihm her, blieben aber sitzen.
    Irgendwann ging es wieder. Er stemmte sich hoch, taumelte auf die Kreuzung zu. Ob das Taxi an der Ampel mit allen vier Rädern auf dem Boden stand, hätte er nicht sicher sagen können. Trotzdem gelang es ihm, die Beifahrertür aufzureißen. Die Frau auf dem Rücksitz stieg aus und verschwand. Der Taxifahrer protestierte, doch auf die Frage, wie viele Menschen er schon erschossen habe, wurde er still und brachte ihn ins nördliche Industriegebiet.
    Auf dem Schild stand «Chinatown». Die drei blutroten chinesischen Schriftzeichen darunter verwandelten sich vor seinen Augen in drei verschlungene Giftschlangen. Sie wanden sich und zischten böse. Er lehnte sich an einen der Pfeiler des Schilds und kämpfte gegen den Drang an, sich zu übergeben. Das waren die Schmerztabletten. Sonst bewirkten sie nichts. Er packte die Sporttasche fester und schwankte an Asia-Food-Shops und billigen Modegeschäften vorbei. Im hinteren Teil des langgestreckten Hofs wurden die Läden schmuddeliger. Plastikramsch und Billigelektronik. Er tauchte in eine der Eingangshöhlen ein. Eine junge Chinesin sprach ihn an. Er ließ sich zum Chef bringen und fragte, ob es nicht ein Hinterzimmer gäbe. Er folgte dem alten Chinesen in einen winzigen fensterlosen Raum mit einer Pritsche darin. Dort setzte er sich, kramte das Geld hervor, das ihm noch geblieben war, steckte dreihundert Rand in die Hosentasche und zählte den Rest neben sich auf die Pritsche. Gut fünfzehntausend Rand.
    «Erstens Morphium», sagte er. «So viel, dass es für drei Tage alle Schmerzen der Welt verjagt.»
    Er glaubte nicht, dass sein Körper noch so lange durchhalten würde, aber sicher war sicher. Er sah auf. Das ledrige Gesicht des alten Chinesen blieb unbewegt.
    «Zweitens eine Uniform, wie sie die Stromableser der Stadt Windhoek tragen. Und den

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