Die Stunde des Spielers
den anderen riesigen Anlagen hervorschimmerte. Ich hatte ihm nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit geschenkt. »Noch nicht«, sagte ich.
»Dort gibt es eine Show mit Tieren. Eines dieser Illusionsspektakel mit abgerichteten Tigern und Leoparden, die Tricks vorführen. Die Leute dort sind wohl so etwas wie das einzige Rudel in Las Vegas.«
Es dauerte kurz, bis ich eins und eins zusammengezählt hatte. Dennoch weigerte ich mich, die zwingende Schlussfolgerung zu ziehen. Bedächtig sagte ich: »Lykanthropen leiten also die Show ...«
Dom schüttelte den Kopf, und ich riss die Augen auf.
»Willst du mir etwa sagen, dass es eine Zirkustruppe aus Tigern und Leoparden gibt, die in Wirklichkeit Menschen sind?« Er lächelte nur.
Lykanthropen, die in ihrer Tiergestalt auf der Bühne auftraten. Das würde ich mir unbedingt ansehen müssen. Auf der Stelle. Die Vorstellung - es war einfach verrückt! Sie müssten sich jeden Abend verwandeln. Sie müssten
sich so weit unter Kontrolle haben, dass sie sich an ihre Nummern erinnerten. Das hielt ich für unmöglich. Und konnte ich einen von ihnen bis morgen überreden, in meine Sendung zu kommen und das Ganze zu erläutern?
Ben schüttelte den Kopf. »Ich habe schon viel verrücktes Zeug in Vegas gehört, aber das übertrifft noch alles.«
»Wenn ihr mir nicht glaubt, dann geht es euch selbst ansehen«, sagte Dom. Beinahe wie eine Herausforderung.
Ben hatte recht: Es war verrückt. Was natürlich bedeutete, dass ich es mir unbedingt anschauen musste.
»Ja, vielleicht werden wir das tun. Danke für den Tipp«, sagte ich. Ben schob sich bereits auf die Tür zu. »Weißt du, du könntest trotzdem in die Sendung kommen. Bloß als Zuschauer. Ich werde dich nicht auf die Bühne zerren, versprochen.«
»Ich würde nur zu gern sehen, wie du versuchst, mich auf die Bühne zu zerren«, sagte er. In seinen Augen war nur ein Hauch von einem drohenden Glitzern. Der Ausdruck »bei den Fischen schlafen« schoss mir unvermittelt durch den Kopf.
Dom wünschte uns erneut einen schönen Aufenthalt, dann waren wir wieder im Aufzug.
Sobald sich die Türen geschlossen hatten, seufzten wir beide erleichtert.
»Das war gar nicht so schlimm.« Ich versuchte positiv zu klingen.
Ben sagte: »Meinst du, er hat es ernst gemeint? Das mit den Lykanthropen, die in einer Show auftreten? Ich kann es mir nicht einmal vorstellen.«
Sich zu verwandeln war furchterregend, schmerzhaft, schrecklich. Es jeden Tag zu tun, es zu durchleiden - ich musste Ben zustimmen. Ich konnte es mir auch nicht vorstellen.
»Es wäre ein Leichtes, das herauszufinden«, sagte ich. »Sich die Show anzusehen und an ihnen zu riechen.«
»Jetzt sofort?«
Ich schüttelte den Kopf. Heute verkraftete ich nicht mehr. Dabei waren wir erst einen Tag hier. »Gleich als Erstes morgen.«
»Das hier ist wie arbeiten«, sagte er. »Es ist wie Kontakte knüpfen und Vertreterbesuche abstatten. Ich habe meine eigene Kanzlei gegründet, um solche Dinge nicht für eine Anwaltspraxis machen zu müssen.«
»Hätte ich gewusst, dass wir so etwas machen müssten, als wir das Rudel übernommen und Rick geholfen haben, hätte ich die Stadt verlassen.«
»Nein, hättest du nicht.« Lächelnd zog er mich an sich und umarmte mich. Ich schmiegte mich an ihn, nahm seine Wärme in mir auf und entspannte mich zum ersten Mal in der letzten Stunde. »Tja, wenn ich mich nicht irre, ist dein nächster Termin in unserem Zimmer.«
Wir bereiteten den Touristen in der Lobby große Freude, als sich die Aufzugstüren öffneten und Ben und ich eng umschlungen dort standen und einander selbstvergessen küssten.
Jetzt hatte ich das Gefühl, im Urlaub zu sein.
Sieben
Mein Telefon klingelte früh - jedenfalls war neun Uhr morgens früh, wenn ich ausschlafen wollte. Ich wachte nur langsam auf und wollte mich nicht bewegen. Ben hatte im Schlaf den Arm um mich gelegt und sich an mich ge- kuschelt. Wir hatten so eine schöne Nacht miteinander verbracht.
Ich ging an den Apparat und redete kurz mit dem PR- Manager des Diablo Theaters. Odysseus Grant würde sich heute Nachmittag kurz von mir interviewen lassen. Das war mein Fuß in der Tür; ich benötigte nur die Gelegenheit, ihn zu treffen und zu überreden, in meine Sendung zu kommen. Diese fand so spät statt, dass er sich nach seiner eigenen Show dort einfinden könnte. Normalerweise wäre es lächerlich, eine Illusionsshow in einer Radiosendung zu haben, doch diesmal hätte ich ein Publikum, live und im Fernsehen.
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