Die Stunde des Spielers
Männer als auch Frauen, die reichlich Schmuck und protzige Kleidung trugen, gefolgt von Gepäckwagen schiebenden Hotelpagen. Ein Pärchen ging vorbei: Der Mann hatte etwas Anrüchiges, obwohl er in seinem dunkelgrauen Anzug eigentlich sehr gediegen aussah. Er hatte ein rundes, ernstes Gesicht und kurzgeschnittene dunkle Haare. Die Frau an seinem Arm wirkte viel zu jung und viel zu dünn; sie hatte zwölf Zentimeter hohe Absätze und trug ein klitzekleines schwarzes Kleid, dessen Rock bis hier oben ging; ein Ärmel war ihr von der Schulter gerutscht. Wie aus einem Film. Wenn ich das Klischee nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, hätte ich es nicht geglaubt.
»Urteile nicht vorschnell«, sagte Ben. »Vielleicht ist sie seine Schwester.«
Ich starrte ihn mit hochgezogenen Brauen an. Er lachte glucksend.
Die Managerin kehrte zurück und reichte mir eine Schlüsselkarte. »Gehen Sie zum Aufzug. Damit haben Sie Zutritt zum Penthouse. Dom hat gesagt, er freut sich schon, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
Na, war das nicht schick? »Danke.«
»Du übergibst ihm bloß die Nachricht, nicht wahr? Sollte er uns einen Drink anbieten, kratz ich die Kurve«, sagte Ben.
»Bringen wir es hinter uns.« Ich zog ihn am Arm.
In dem mit Gold und Spiegeln verkleideten Aufzug steckte ich die Magnetkarte in den Schlitz und erntete ein freundliches grünes Licht. Dann fuhr der Aufzug direkt nach oben. Ich war gleichzeitig aufgeregt und beklommen. Es war ja so cool, in das Penthouse eines Vegas-Tycoons eingeladen zu werden! Andererseits war er ein Vampir. Wenn er uns auf seine Art von Drink einlud, würden wir wirklich das Weite suchen.
Als die Aufzugtüren aufglitten, rechnete ich damit, mehr von dem Renaissance-Überfluss zu Gesicht zu bekommen, der im Rest des Hotels vorherrschte. Doch die Ausstattung hier war viel weniger protzig. Wir traten in eine Eingangshalle mit poliertem Boden, Holztäfelung und weichem Licht. Auf einem großen Glastisch stand eine schwarze Vase mit weißen Rosen. Das Zimmer zeugte von Reichtum, doch auf zurückhaltende und geschmackvolle anstatt maßlose Art und Weise.
Ein Mann Anfang vierzig, mit attraktiven, markanten Gesichtszügen, das kurze Haar dunkel und leicht graumeliert, trat aus dem Zimmer jenseits der Eingangshalle. Er trug ein dunkles langärmeliges Hemd und eine graue Bundfaltenhose. Der Kragen faltenlos, die Schuhe poliert. Er hätte irgendein Geschäftsmann an irgendeinem vornehmen Ort sein können. Er hatte ein gewinnendes Lächeln und roch kalt.
Er kam direkt auf uns zu, zu schnell, zu eifrig. Ben und ich standen Schulter an Schulter, nicht weit von einer Verteidigungsstellung entfernt - die Reaktion der Wölfe. Dem Vampir schien nicht aufzufallen, welche Wirkung er auf uns hatte.
»Du bist Kitty?«, fragte er in einem flachen Amerikanisch, das sich keiner Region zuordnen ließ. »Ich bin Dom. Es ist toll, dich kennenzulernen. Und ...«
»Das ist Ben«, sagte ich.
Dom gab uns begeistert die Hand. Sein Enthusiasmus brachte mich ein wenig aus dem Gleichgewicht.
Unser Anblick schien ihn schrecklich zu erfreuen. »Die Alphawerwölfe von Denver. Welch Ehre! Darf ich euch auf einen Drink in mein Wohnzimmer einladen?« Ben sah mich mit hochgezogener Braue an, und ich zuckte zusammen. »Ich habe eine Bar - alkoholische Getränke, Sodawasser, Bier, was auch immer. Nichts Unheimliches, versprochen.« Bei seinem Lächeln wurde ein Stück seiner Reißzähne sichtbar.
Ich seufzte. »Sicher. Wir können ein paar Minuten bleiben.«
Dom mochte locker gewirkt haben, doch er war immer noch ein Vampir und verfügte damit über ein Gefolge, selbst wenn es im Verborgenen blieb. Ich erhaschte einen Blick auf einen Mann im dunklen Anzug mit kurzgeschnittenen Haaren und wütendem Blick. Er hielt sich am Rand des Zimmers und wich zurück, als wir vorübergingen. Ein Leibwächter, ganz bestimmt. Nur für den Fall, dass Ben und ich etwas im Schilde führten. Ja, klar. So etwas war mir nicht mal in den Sinn gekommen.
Wie schon die Eingangshalle, wirkte das Wohnzimmer reich, aber nicht dekadent: Zwei braune Ledersofas um einen Mahagonicouchtisch bildeten das Kernstück des Raumes. In der Ecke befand sich eine voll ausgestattete Bar. Wahrscheinlich veranstaltete Dom hier Partys. Die Fenster einer Wand gingen auf den Strip hinaus. Der Blick war unglaublich. Ma, ich kann Paris von hier aus sehen … Na ja, das falsche Vegas-Paris.
Wie sich herausstellte, mischte Dom einen ziemlich guten Martini. Wir genossen
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