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Die Stunde des Spielers

Die Stunde des Spielers

Titel: Die Stunde des Spielers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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bereitliegen.«
    »Ich sollte dich vorwarnen: Ich werde dir viele Fragen stellen.« Ihm und seinen Darstellern. Vorausgesetzt, sie verfügten bei unserem Treffen über menschliche Stimmbänder.
    »Ich freue mich schon darauf. Bis heute Nachmittag.« Er stolzierte wie eine Raubkatze davon. Ich konnte den Blick nicht von ihm abwenden.
    Verwirrt lehnte ich mich auf meinem Stuhl zurück und trank die halbe Margarita in einem Zug.
    Als ich an der Theaterkasse meinen Namen nannte, erhielt ich meine Eintrittskarte sowie Anweisungen, nach der Show zu warten, bis mich ein Platzanweiser hinter die Bühne brachte. Zur Abwechslung einmal ganz offiziell. Im Theater fühlte ich mich zappelig und nervös. Wenn ich nicht schon vorher gewusst hätte, dass das gesamte Ensemble aus Lykanthropen bestand, hätte ich es jetzt herausgefunden. Hier war die Geruchsmischung aus Fell und Haut unverkennbar. Das Gefühl, dass ich in das Revier eines anderen Rudels eindrang, war eindeutig, und es machte mich nervös. Ich musste mich darauf konzentrieren, mich zu beruhigen und meine Muskeln dazu zu zwingen, sich zu entspannen. Eigentlich ein Widerspruch in sich!
    Der Vorhang ging auf, und die Show begann.
    Balthasars Aufführung hatte all den Prunk und das Chaos, das Odysseus Grants Vorstellung nicht aufwies. Stroboskopblitze zuckten über die Bühne, über die Diskokugeln bunte Lichter warfen. Scheinwerfer glitten rasend schnell über den verchromten Bühnenaufbau. Nebel wallte aus einer riesigen Nebelmaschine und trug zur Reizüberflutung bei; außerdem dröhnte laute Rockmusik aus erstklassigen Lautsprechern. Das alles bewirkte, dass die Erwartungen des Publikums gewaltsam hochgeschraubt wurden. Was wird passieren, was wird passieren ...
    Die Zynikerin in mir hielt das Ganze für künstlichen Hype, der das Publikum so weit bringen sollte, dass es alles aufregend fände, egal was passieren würde.
    Die Musik erreichte ihren Höhepunkt und Abschluss in dem Moment, in dem Balthasar von einem verborgenen Zugang aus mitten auf die Bühne sprang. Lächelnd hieb er mit den Fäusten in die Luft, Nebel umwirbelte ihn, die Lichter spielten verrückt, und die Menge jubelte. Jetzt sah er sogar noch besser aus. Die Schreie aus dem Publikum klangen zweifellos weiblich. Balthasar blieb kurz in der Pose stehen, als nähme er die Beweihräucherung seiner Bewunderer in sich auf.
    Dann drehte er sich um und machte sich an die Arbeit. Auf ein Zeichen hin kam ein Tiger von rechts auf die Bühne. Er sprang auf ein Podest und machte einen Satz fast bis zur gegenüberliegenden Seite der Bühne. Auf ein weiteres Zeichen hin tat ein zweiter Tiger das Gleiche von links. Dann noch einer von rechts und ein vierter links. Alle vier Tiger blieben dort hocken, wo sie gelandet waren, so dass Balthasar jetzt von den furchteinflößenden, Menschen fressenden Bestien umzingelt war. Ein Tiger gähnte, so dass zum Beweis dicke, scharfe Zähne sichtbar wurden.
    Balthasar ließ sie ihr Können zeigen. Sie vollführten Sprünge, akrobatische Kunststücke, rangen miteinander, rangen mit Balthasar, alles genau auf Stichwort, mit einer Konzentration, die schier unheimlich war. Es war unnatürlich und selbstverständlich war es das auch – es waren Wertiger. Es war übernatürlich.
    Sobald die Show einmal angefangen hatte, ließ das Tempo nicht mehr nach. Und genau darum ging es. Er gewährte dem Publikum keine Zeit sich zu fragen, was vor sich ging, oder sich über irgendetwas anderes als die verblüffenden Kunststücke zu wundern. Beispielsweise den Umstand, dass diese Tiger definitiv etwas klein geraten waren.
    Balthasar schickte die Tiger fort und holte einen Löwen auf die Bühne. Zwei wohlgeformte, lächelnde Assistentinnen in Paillettenkleidern rollten Requisiten herbei: Reifen auf Podesten, die höher als Balthasar waren. Der König der Bestien berührte sie mit einem Anzünder, und sie flammten lodernd auf. Der Löwe sprang durch sämtliche Reifen, vor und zurück, und landete jedes Mal mit einem Zucken des Schwanzes und einem Schütteln der Mähne.
    In der Show kam auch Magie zum Zug, protziger als diejenige, die Grant vollführte. Balthasar brachte Leoparden zum Schweben, ließ einen Panther verschwinden und wieder erscheinen, sperrte sich selbst in eine Kiste voller Kobras und entkam unversehrt, womit er bewies, dass er der König sämtlicher Bestien war.
    Das ging ohne Unterbrechung eine Stunde so weiter. Zumindest hatte mir mein eigener Abstecher auf die Bühne neulich eine

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