Die Stunde des Spielers
Götter. Wir konnten die Vergangenheit idealisieren, so sehr wir wollten, um den Preis, dass wir die Nachteile ignorierten.
»Macht ihr das hier? Versucht ihr, diese Art Gesellschaft neu zu erschaffen?«
Er lächelte bloß. »Komm herein, sieh dir den Rest unseres Zuhauses an.«
Er legte mir die Hand auf die Schulter. Auf meine bloße Haut, den schmalen Riemen des Kleides vermied er. Seine Berührung war das reinste Feuer. Jeder einzelne Muskel in meinem Körper verkrampfte sich. Ich konnte nichts dagegen tun. Es war noch nicht einmal daran zu denken. Seine Worte hallten in mir nach. Ich bin Teil der Prozession, die bis zum Anfang der Zeit zurückreicht. Das flößte mir Macht ein.
Als ich mich bewegte, knarrten meine Knochen. Ich hörte sie, und das Geräusch rüttelte mich auf. Ich trat beiseite, entriss mich dem brennenden, verlockenden Griff. Mit Hilfe eines tiefen Atemzugs versuchte ich, wieder Sauerstoff in mein Gehirn zu bekommen. Es lag hier etwas in der Luft...
»Ben ist verschwunden«, sagte ich, wobei ich innerlich zusammenzuckte, weil es so gar nicht gerissen oder clever war, es einfach so hinauszuposaunen. Nicht, wenn Balthasar seine Finger mit im Spiel hatte. Eigentlich sollte ich bei der Sache geschickter vorgehen. »Ben ist mein Verlobter, und ein Bandenboss namens Faber hat ihn vielleicht entführt. Die Polizei sucht nach ihm, aber sie sind noch nicht fündig geworden, und ich weiß allmählich nicht mehr, was ich tun soll. Dom hat gesagt, du wüsstest vielleicht weiter.«
»Dom?« Balthasar lachte leise vor sich hin. »Wir hören nicht viel von Dom. Setzen wir uns, dann können wir uns darüber unterhalten.«
Ich wusste nicht, als was der Raum zu bezeichnen war, in den er mich führte. Er war in vielerlei Hinsicht wie die große Diele, der Rittersaal, reich verziert, exotisch in dem Sinne, dass es dort nichts gab, was ich als Sofas oder Sessel bezeichnet, nichts, was das Ganze zu einem Wohnzimmer gemacht hätte. Vielleicht hätte ich es Schlafsaal genannt oder Kaserne: Futons mit Laken und Kopfkissen reihten sich an einer Wand. Doch mitten im Zimmer gab es außerdem einen Brunnen mit Wasser, das über runde graue Steine plätscherte, und Chaiselongues; und auf höchst dekorative Art und Weise darauf drapiert - die Finger ins Wasser baumeln lassend, auf Kissen ausgestreckt - war eine Gruppe junger Männer. Sie waren alle umwerfend schön, mit glatter Haut, bronzefarben, muskulös. Als sie Balthasars Stimme hörten, sahen sie alle mit verführerisch zusammengekniffenen Augen zu mir auf. Ihr Lächeln war schalkhaft. Balthasar war der Pira tenkapitän, und hier war seine Besatzung.
Ein Teil von mir wollte jetzt wirklich die Flucht ergreifen. Doch sie waren alle so attraktiv.
»Ihr wohnt hier also alle zusammen?« Ich gab mir Mühe, meine Stimme im Griff zu behalten. »Alle Darsteller?« Ich hoffte, dass Nick da war. Er war der Erste gewesen, dem ich begegnet war, und aus irgendeinem Grund erwartete ich von ihm am ehesten, dass er mir die Wahrheit sagen würde. Ich ging davon aus, dass sich unter dem Ganzen noch eine andere Wahrheit verbarg.
»Wir sind eine Art Rudel«, sagte Balthasar, während Avi zustimmend nickte. Balthasar machte eine ausholende Bewegung, ganz der Showmaster. »Darf ich vorstellen: das Ensemble.«
Zweifellos waren sie ein Lykanthropenrudel, und dies war ihr Revier, doch ich spürte, dass mehr an der Sache dran war. Der Geruch des Ortes wies eine weitere Schicht auf, bedrohlich, aber sogar noch fremder. Es kribbelte auf meiner Haut. Ich war hier kein Eindringling. Ich war … etwas anderes.
Es roch hier stark nach Sex. Tja - was sonst sollte eine Truppe Prachtkerle machen, wenn sie nicht auf der Bühne stand?
Sie wurden munter, richteten sich auf, schälten sich von ihren Sitzgelegenheiten. Ihre Bewegungen waren wie Wasser, geschmeidig, geräuschlos. Sie trugen Jeans und Unterhosen, die ihnen tief von den Hüften hingen. Keine Hemden. Ihre Oberkörper waren lange Flächen verlockender Haut. Sie pirschten sich barfuß an, ohne mich aus den Augen zu lassen, als sei ich ein interessantes neues Spielzeug, das es zu untersuchen galt - etwa eine Maus, die mit Katzenminze ausgestopft war.
Ich hätte die Flucht ergreifen sollen. Doch Balthasars Körperwärme hielt mich. Zog mich näher. Dies war ein Ort voller Geheimnisse, schien sein Blick mir zu verraten. Wollte ich ihre Geheimnisse nicht lüften? Avis Lächeln und entspannte Haltung gaben mir zu verstehen, dass alles in
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