Die Stunde des Spielers
umspielte seine Lippen. Er sah keinen Menschen vor sich, er sah nicht mich.
Meine Sicht geriet ins Wanken, während die Wölfin hinter meinen Augen schwamm. Sie starrte sie alle wütend an. Ich ballte die Hände, bis sich meine Nägel in die Handflächen gruben.
Reiß dich zusammen.
»Ihr seid alle perverse Arschlöcher, wisst ihr das?«, fragte ich.
»Na, na!«, sagte Balthasar. »Ich weiß, dass das hier hart ist.«
Es war, als würden mich die Schakale umkreisen. »Wo ist Ben?«
Unbekümmert sagte er: »Ich weiß es nicht. Wir haben ihn nicht, aber sein Verschwinden schien eine gute Methode zu sein, um dich hierher zurückzulocken, nachdem du uns davongelaufen warst. Ich habe sein T-Shirt aus eurem Hotelzimmer geholt.«
Es ist eine Falle , hatte Grant gesagt, und natürlich hatte er recht gehabt. Ich hatte es die ganze Zeit über gewusst. Und war dumm genug gewesen zu denken, dass ich sie überlisten könnte.
Balthasar fuhr fort: »Wir kriegen ihn schon noch, mit dir als Köder.«
Jetzt? Jetzt verwandeln?, knurrte die Wölfin.
Nein. Ich war mir nicht sicher, ob wir uns von den Ketten losreißen könnten, selbst als Wolf. Warte. Warte einfach. Balthasar wollte etwas von mir, oder ich wäre nicht hier. Ich wollte erst herausfinden, worum es sich handelte.
Ich täuschte ein Lachen vor. »Du kannst Werwölfe tatsächlich nicht ausstehen, was?«
»Das stimmt nicht.« Er trat einen Schritt vor, nahe genug, um die Hand auszustrecken und mir über die Wange zu streichen. Ich entzog mich ihm, so weit es ging, was nicht sehr weit war. »Ich liebe Werwölfe.«
Ich fletschte die Zähne und wäre fast an meinem eigenen Knurren erstickt. »Was willst du?«, fragte ich.
»Ich möchte eine Theorie ausprobieren«, sagte er, und dieses verfluchte Lächeln umspielte wieder seine Lippen. Er war daran gewöhnt, dass sich ihm die Frauen zu Füßen warfen. Warum hatte er mich an die Wand ketten müssen?
»Theorie?«, stotterte ich.
Er stand vor mir und sah mir in die Augen. Ich widerstand dem Verlangen wegzusehen. Es war schwer. Vermutlich war er stärker als ich. Wenn ich ihn nicht reizte, käme ich hier vielleicht wieder heraus. Da sprach die wölfische Logik aus mir. Ich selbst hatte keine Ahnung, wie ich hier herauskommen sollte.
Balthasar sagte: »Erzähl mir von deinem Rudel.«
Dies war nicht der rechte Zeitpunkt, um die soziale Dynamik von Werwölfen zu diskutieren. Eine irrationale Angst packte mich - er hätte es als Nächstes auf sie abgesehen. Würde den ganzen Weg nach Denver zurücklegen, um sich meine Leute zu schnappen. Ich wollte nichts sagen. Doch er starrte mich unverwandt an.
»Ich habe ein sehr nettes Rudel«, sagte ich, und es stimmte. »Meine eigene kleine Familie.«
»Und wen hast du umgebracht, um zur Alpha deiner netten kleinen Familie aufzusteigen?«
»Woher willst du wissen, dass ich das getan habe?«
»Weil es so funktioniert. Du hast nicht an der Spitze angefangen. Ja, wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass ein hübsches kleines Ding wie du verdammt weit unten angefangen und sich seinen Weg nach oben hat erkämpfen müssen.«
Weder bestätigte ich, noch leugnete ich es. Vielleicht hatte ich nicht an der Spitze angefangen, aber das hieß noch lange nicht, dass ich zugeben musste, ganz unten in der Hackordnung begonnen zu haben. Außerdem waren mir in seinen Worten viel zu viele versteckte Anzüglichkeiten.
»Ja«, sagte er und schob sich näher heran. Jetzt konnte ich seinen Atem spüren. »Ich glaube, du vermisst es ein bisschen.«
»Was vermisse ich?«
»Unterwürfig zu sein. Jemand anderem die Entscheidungen zu überlassen. Keine Verantwortung zu tragen. Du musst dich nur zurücklegen und es über dich ergehen lassen. Ich glaube, du vermisst es, einem großen bösen Wolf deine Kehle und deinen Bauch zu zeigen.«
An die Zeiten konnte ich mich noch gut erinnern, so lange war es schließlich noch nicht her. Mein Alpha hatte gesagt »spring«, und ich war gesprungen, jedes Mal, und hatte ihn dafür noch vergöttert. Missbrauch war immerhin Aufmerksamkeit. Wir alle wetteiferten um seine Aufmerksamkeit, und manchmal bekam man sie am ehesten, wenn man ihm den Bauch schneller als alle anderen zeigte. Sex, Ego und Kontrolle waren eng miteinander verknüpft gewesen, und als ich anfangs in das Rudel gebracht wurde, war ich ein beschützt aufgewachsenes Vorortmädchen, das nie zuvor etwas mit dieser Welt zu tun gehabt hatte. Ich hatte das Gefühl, tun zu müssen, was man mir befahl.
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