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Die Stunde des Spielers

Die Stunde des Spielers

Titel: Die Stunde des Spielers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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Widersinniges. Eine Explosion - das Knallen eines Schusses. Normalerweise konnte ich dieses Geräusch nicht ausstehen, doch im Moment klang es wie Musik in meinen Ohren.
    Der Singsang verstummte, und Stille legte sich über den Saal, eine schockierte Pause.
    Die Priesterin von Tiamat hatte ein rotes Loch mitten in der Brust. Es blutete nicht. Sie fiel nicht, sondern drehte sich um und rief etwas in einer Sprache, die ich noch nie zuvor gehört hatte.
    Die Männer heulten auf, und erneut fielen Schüsse. Am Eingang zuckten Blitze auf, und die Augen der Wölfin erkannten Gesichter in dem dämmrigen Licht: Brenda. Evan. Die Sekte zögerte.
    Es war egal. Ich verwandelte mich immer noch, immer noch halb an einen Altar gekettet.
    Ein Mann trat in meinen Gesichtskreis. Er trug ein Frackhemd, die Ärmel hochgekrempelt, und er betrachtete mich mit vertrauten, eisigblauen Augen.
    »Gehen Sie weg«, rief ich unter Tränen. »Gehen Sie weg von mir. Ich möchte Ihnen nichts zuleide tun!«
    Odysseus Grant achtete nicht auf mich. Vor meinen verwirrten Augen brauchte er nur die Fesseln zu berühren, und sie sprangen auf. Zweifellos war das irgendein Trick eines Entfesselungskünstlers. Es war dennoch zu spät. Ich konnte nicht mehr umkehren, die Wölfin war an der Oberfläche, übernahm die Kontrolle ...
    … in die Enge getrieben. Blinde Wut und Angst gewinnen die Oberhand. Keine Vernunft, bloß Instinkte. Sie brüllt, will sie alle umbringen, weglaufen, einen Ort finden, der nach Wald und Zuhause riecht.
    Doch etwas passiert, und die Welt bleibt stehen. Zuerst sieht sie nichts als Chaos, riecht Blut und Verbranntes, Feinde, Hass. Im nächsten Moment wird sie von Dunkelheit verschluckt. Der Mann, der mit den kalten Augen, der vor ihr steht, tut etwas, und alles wird mit einem Mal still. Doch die Panik wächst nur noch mehr, denn sie ist nicht mehr nur in die Enge getrieben, sondern eingeschlossen, von allen Seiten Schwärze, die sie umhüllt, und es ist kalt, und es riecht nach nichts. Die Leere zermürbt sie, und sie öffnet das Maul, um zu knurren, gibt aber keinen Laut von sich.
    Dann ist es vorbei. Sie steht in einem kleinen Zimmer. Es ist kein Wald und nicht die Freiheit, aber es gibt dort auch keine Ketten, brennende Waffen oder Blut. Es riecht stark nach Menschen und ist mit Menschendingen angefüllt. Sie erkennt den Geruch nicht wieder, das Aroma, die einzelne Person. Weiß nur, dass sie noch immer nicht dort ist, wo sie hingehört, und während sie vielleicht nicht in Gefahr schweben mag, ist sie doch nicht zu Hause. Sie erinnert sich an ihre ursprüngliche Aufgabe: die Suche nach ihrem Männchen. Erst wenn sie es wiederfindet, wird es ihr wieder gutgehen.
    Sie setzt sich zurück und stößt ein Heulen aus, brüllt zu dem niedrigen künstlichen Himmel empor. Das Geräusch hallt wider, zu laut und zu nah. Sie muss lauter rufen, er muss sie hören. Zwischen langgezogenen, traurigen Schreien rennt sie gegen die Tür, bearbeitet sie mit den Pfoten, gräbt die Krallen in das Holz. Sie prallt dagegen und fällt zu Boden. Die Tür hält stand. Lässt noch nicht einmal an sich rütteln.
    Sie könnte stundenlang so weitermachen. Sich bis zur totalen Erschöpfung verausgaben. Beinahe tut sie es, doch etwas in ihr gebietet ihr Einhalt. Die andere Hälfte, die zweibeinige Stimme sagt: »Hör auf .« Weil sie kaum noch Luft bekommt und ihre Pfoten voller Splitter sind, ihr Körper mit Prellungen übersät, gehorcht sie. Rollt sich neben der Tür zusammen und leckt sich die schmerzenden Pfoten. Eigentlich ist sie zu verängstigt, um zu schlafen, doch die Müdigkeit überwältigt sie.
    Ich erwachte erschöpft und unglücklich, ohne mich genau erinnern zu können, weshalb ich mich so fühlen sollte. Als ich mich aufsetzte, um mich zu orientieren, fielen mir die letzten Stunden allmählich wieder ein. Vor allem weil ich nackt auf dem Fußboden in einem fremden Zimmer lag. Es war nicht das erste Mal, dass ich nackt an einem fremden Ort erwachte. Schön war es nie.
    An einer Wand stand ein Sofa, an der anderen ein langer Toilettentisch. Es roch nach Staub, Schweiß und Bühnen-Make-up. Da erkannte ich den Geruch, das Aroma - Wäschestärke und Kulissenduft. Ich befand mich in Odysseus Grants Garderobe.
    Er hatte mir das Leben gerettet. Er, Evan, Brenda. Andere Gesichter, die ich in der Bar im Olympus gesehen aber nicht kennengelernt hatte. Die Kopfgeldjäger. Diesmal war die große Verschwörung auf meiner Seite gewesen.
    Ich hatte mich

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