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Die Stunde des Spielers

Die Stunde des Spielers

Titel: Die Stunde des Spielers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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aber darüber konnte ich mir jetzt nicht auch noch den Kopf zerbrechen. Wenn ich mich schnell bewegte, würden sie mich nicht bemerken. Also musste ich bloß einen Zahn zulegen.
    Doch bei solchen Gelegenheiten bewirkte die eigene Panik, dass die Zeit viel zu langsam zu vergehen schien.

Siebzehn
    Ich nahm mir ein Taxi, weil ich glaubte, auf diese Weise besser vor den Kopfgeldjägern geschützt zu sein. Was sie betraf, war ich einfach verschwunden, hoffte ich. Ich ließ Nick hinter mir. Sah, wie er aus dem Hotel lief, dann stehenblieb und mir nachblickte - er lächelte. Weil ich ihnen in die Falle ging, aber welche andere Wahl blieb mir denn? Ich rief bei Evan und Brenda an. Dass sie nicht an den Apparat gingen, bedeutete, sie befanden sich in einer Situation, in der sie ihre Handys ausgeschaltet hatten. Oder sie ignorierten mich. Ich hinterließ ihnen Nachrichten, in denen ich von Boris und Sylvia im Diablo erzählte und von Balthasars Truppe im Hanging Gardens. Ich hatte keine Zeit, auf sie zu warten. Außerdem hinterließ ich Detective Gladden eine Nachricht. Welchen Reim er sich auf das Ganze machen würde, wusste ich allerdings nicht. Ich hatte keine Ahnung, wie sich meine Stimme angehört haben musste, ob meine Nachrichten überhaupt verständlich waren.
    Darüber konnte ich mir später noch den Kopf zerbrechen.
    Ich saß auf der Rückbank und sah immer wieder aus Fenstern, über die Schulter, wobei ich Angst davor hatte, was mir folgen könnte. Der Wagen fuhr natürlich nicht schnell genug, und es fiel mir schwer, gleichmäßig zu atmen.
    Der Fahrer sah mich im Rückspiegel an. »Sie sehen aus, als kämen Sie zu spät zu Ihrer eigenen Hochzeit oder so etwas«, sagte er.
    Das war zu köstlich. Ich hielt mir die Hand vor den Mund und kicherte.
    Endlich erreichten wir das Hanging Gardens. Ich bezahlte dem Fahrer zu viel und ließ in der Eile die Tür offen, als ich in das Hotel stürzte. Leute starrten mich an, als ich vorüberlief. Aber hey, bestimmt rannten doch wohl ständig panische Menschen durch die Hotellobbys in Vegas. Wie viele kleine Tragödien ereigneten sich jeden Tag in dieser Stadt? Ich ging jede Wette ein, dass ständig jemand vor dem Altar sitzengelassen wurde. Ich war nichts Besonderes.
    Da rügte ich mich selbst. Ich war nicht vor dem Altar sitzengelassen worden. Es bestand keine Notwendigkeit, Tragödien für mich zu erfinden. Im Moment entfalteten sich gerade genug echte.
    Ich wusste nicht, wie viel Uhr es war. Spät. Richtig spät, oder richtig früh, je nachdem, wie man es betrachtete. Es waren tatsächlich nicht mehr so viele Menschen unterwegs. Ein paar Leute spazierten herum. Eine Gruppe junger Betrunkener stützte sich beim Gehen aufeinander und lachte grölend. Ein paar Leute saßen vor Spielautomaten, starrten wie Zombies vor sich hin und drückten immer wieder auf die Taste. Ein Hausmeister wischte das Geländer um den Casinobereich. Es war der Schluss einer Party, die ein paar einsame Menschen nicht enden lassen wollten. Es war ein trauriger, ermüdender Anblick.
    Ich verharrte an dem Punkt, an dem man von der Lobby aus in verschiedene Bereiche des Hotels kam: Casino, Aufzüge, Restaurants, Theater. Wo würde ich Balthasar finden? In seiner Suite? Wohin hatte er Ben gebracht? Ich witterte nichts; das ganze Hotel roch nach Balthasar und seiner Truppe. Hier nach einem einzelnen Lykanthropen zu suchen, war, als versuchte man in einem Süßwarenladen ein einzelnes Stück Schokolade zu finden.
    Und jeden Augenblick würden Boris, Sylvia oder Nick durch die Tür kommen und mich fangen wollen. Zuerst musste ich Ben finden.
    Ich machte mich auf den Weg zu dem Theater.
    Hinter der Kasse stieß ich auf eine unversperrte Backstagetür, ein Notausgang, der sich abseits vom Trubel befand. Ich trat in einen dunklen Korridor und ging weiter. Mir blieb keine Zeit, mich zu orientieren, etwas anderes außer den allgemeinen Backstagegerüchen zu wittern, vermischt mit dem Gestank von Lykanthropen im Herzen ihres Reviers. Meine Sicht wurde unscharf, denn die Fähigkeit der Wölfin, Licht und Schatten zu sehen, war viel besser für Prärie und Wald geeignet als für ein Hotel in Vegas.
    Da blieb ich stehen. Das hier war lächerlich. Ich konnte es nicht allein mit einem Rudel Lykanthropen aufnehmen. Und glaubte ich allen Ernstes, dass sie mir zuhören würden, während ich ihnen vernünftig auseinandersetzte, warum sie Ben freilassen sollten? Das würde nicht funktionieren. Dies war nicht die richtige

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