Die Stunde des Tors
Insassen der Zelle.
»Was ist mit unseren Verkleidungen passiert?«
»Schauber abgepellt wie Schwiebeln haben schie unsch«, berichtete ihm Pog. Er lag trübsinnig auf den klammen Steinen, scheute offenbar das Risiko, sich an die zerbrechliche Lampe zu hängen. \ Clodsahamp war nicht in der Zelle. »Wo ist dein Meister?«
»Ich weisch nicht, ich weisch nicht«, stöhnte der Famulus hilflos. »Wurde beim Kampf von unsch getrennt. Scheitdem haben wir ihn nicht mehr geschehen, den alten Fursch.« Die Worte des Fledermäuserichs waren vollkommen frei von Bosheit.
»Es war Eejakrat«, sagte Caz von der gegenüberliegenden Seite der Zelle. Seine Kleidung war zerrissen, und an seiner rechten Wange fehlte Fell, aber er hatte trotzdem irgendwie sein Monokel behalten. »Er wußte, was wir sind. Ich vermute, daß er Clodsahamp besondere Aufmerksamkeit hat zuteil werden lassen. Kein Hexer würde einen anderen in einer gewöhnlichen Zelle unterbringen, wo er die Gitterstäbe auflösen oder die Gefängniswärter in seinen Bann schlagen kann.«
»Was er aber nicht weiß, ist, daß wir immer noch über die Fähigkeiten eines Hexers verfügen.« Flor sah Jon-Tom hoffnungsvoll an.
»Ich kann überhaupt nichts tun, Flor.« Er grub seine Steifelabsätze in einen Spalt im Boden, um nicht weiter auf den Abfluß zuzurutschen. »Ich brauche meine Duar, und die war an die Innenseite meiner Insektenverkleidung gebunden.«
»Versuche es«, drängte sie ihn. »Wir haben nichts zu verlieren, verdad? Du brauchst kein Begleitinstrument, um zu singen.«
»Nein, aber ohne eins kann ich nicht zaubern.«
»Mach wenigstens einen Versuch, Chef«, sagte Mudge.
»Schlimmer als jetzt kann es nicht werden, wa?«
»Also gut.« Jon dachte einen Moment nach und sang dann. Es mußte etwas sein, das seiner Stimmung entsprach, etwas Ernstes und doch Hoffnungsvolles.
Er mochte Rock mehr als Country & Western, aber es gab da einen ganz bestimmten Song über ein anderes Gefängnis, einen Ort namens Folsom, wo Schwermut und Hoffnungslosigkeit auch durch Musik überwunden worden waren. Der Song war voll von Hoffnung, Erwartung und Gedanken an die Freiheit.
Mudge stieß anerkennend einen schrillen Pfiff aus. Er verschwand durch die Gitterstäbe in die Freiheit, aber Pfeifer und Sänger blieben zurück. Kein Zug erschien, um sie mitzunehmen. Nicht einmal ein einzelnes, neugieriges Gnitschie.
»Siehst du?« Er lächelte Flor hilflos an und breitete die Arme aus. »Ich brauche die Duar. Ich singe, und sie zaubert. Das eine geht nicht ohne das andere.« Die Frage, die er so lange unterdrückt hatte, mußte jetzt heraus: »Wir können uns denken, was mit Clodsahamp passiert ist.
Aber«, er blickte auf den Boden und erinnerte sich an die zuschlagende Eisenflasche, »wo ist Talea?«
»Diese puta!« Flor spuckte auf das Moos. »Wenn wir die Gelegenheit dazu bekommen, bevor wir sterben, werde ich sie mit meinen eigenen Händen auseinandernehmen.« Sie hielt scharfe Fingernägel empor.
»Ich konnte es selbst nicht glauben, Kumpel.« Mudge klang so müde, wie es Jon-Tom noch nie gehört hatte. Irgend etwas hatte seinen unerschöpflichen übermütigen Elan schließlich doch bezwungen. »Es ergibt über'aupt keinen Sinn, verdammich! Ich kenne sie seit Jahren, daß sie so was tun sollte, um ihre 'aut zu retten, daß sie desertiert sein soll, zu diesen... ich kann es nicht glauben, Kumpel. Ich kann es nicht!«
»Ich kann es auch nicht glauben, Mudge.«
»Warum nicht, Freund?« Bribbens legte ein glitschiges grünes Bein über das andere. »Loyalität ist etwas Vorübergehendes und Opportunismus das Merkmal des Überlebens.«
Caz drückte das Ganze etwas gefälliger aus: »Vielleicht ist folgendes geschehen: Sie sah, was kommen mußte, daß wir überwältigt werden würden, und beschloß, ihr Glück bei den Gepanzerten zu versuchen. Wir wissen aus erster Hand, nicht wahr, daß sie menschliche Verbündete haben. Ich kann sie nicht verurteilen, weil sie das Leben dem Tode vorgezogen hat. Und du solltest es auch nicht tun.«
Jon-Tom saß schweigend da und konnte es trotz der Vernunft in Caz' Worten immer noch nicht glauben. Talea war streitlustig, zuweilen sogar verächtlich gewesen, aber daß sie sich gegen Kameraden wenden sollte, mit denen sie so viel durchgestanden hatte... Und doch hatte sie offensichtlich genau das getan. Es ist besser, du siehst den Tatsachen ins Gesicht, Jon!
»Was, glaubst du, werden sie mit uns tun?« fragte er Mudge.
»Oder vielleicht
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