Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin
blöden Späße. Wo sind die Kleider, die du besorgen solltest?«
Der Junge schob das Heu zur Seite, auf dem er geschlafen hatte, und holte ein Bündel darunter hervor. »Hier! Alles beste Ware! Keines der Stücke ist bisher getragen worden.« Er hob den wolfsbraunen Mantel hoch, in den die übrigen Kleider eingeschlagen waren, und schüttelte ihn aus. »War gar nicht leicht, an die Sachen in der Kleiderkammer zu kommen. Ich verlasse mich darauf, dass du dich an deinen Teil der Abmachung hältst!«
Gabriela nickte flüchtig. Dann nahm sie den Mantel und musterte ihn prüfend. Er war wirklich neu und tadellos in Ordnung. »Du wirst die Dachkammer schon zurückbekommen. Morgen werde ich mit dem alten Pfeifenkopf darüber reden.«
»Und das Schießen?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Wenn mein Onkel es gestattet, werde ich es dich gerne lehren. Ansonsten müssen wir wie bisher mit den ungeladenen Pistolen üben.«
Branko brummelte etwas Unverständliches. »Wenn du erwischt wirst, sag bloß nicht, dass ich dir die Uniform besorgt habe … «
»Wie bist du eigentlich in die Kleiderkammer gekommen? Und wo sind die Stiefel? Ich brauche hohe Reitstiefel mit Stulpen, sonst wird die Wache noch merken, dass ich nicht ganz echt bin.«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Wenn ich dir verrate, wie ich an die Uniform gekommen bin … Frag nicht … Ich habe sie geborgt, mehr werde ich dir nicht sagen! Die Stiefel stehen dort neben der Box. Willst du mir nicht endlich sagen, warum du dich mitten in der Nacht aus der Stadt schleichen willst?«
»Nein! So hat halt jeder seine Geheimnisse.« Gabriela konnte merken, wie unwohl sich Branko bei der Sache fühlte. Wenn herauskommen würde, dass er ihr geholfen hatte, würde ihr Onkel ihn wahrscheinlich aus seinen Diensten entlassen. Sie versetzte ihm einen Knuff in die Rippen und lächelte. »Du kannst dich auf mich verlassen. Ich werde zurück sein, bevor der Alte überhaupt bemerkt hat, dass ich verschwunden war. Und jetzt dreh dich um! Es ist nicht schicklich, einer Frau dabei zuzusehen, wie sie ihre Kleider ablegt.«
Ohne abzuwarten, ob Branko ihr gehorchte, streifte sie die graue Weste und den Rock ab und schlüpfte in die engen, weißen Hosen, die der Junge besorgt hatte. Dann legte sie die rote Weste und den graubraunen Gehrock der Kanoniere an. Zuletzt mühte sie sich mit den Stulpenstiefeln ab, die sie mit Stroh ausfüttern musste, weil sie ihr viel zu groß waren. Es würde ungemütlich werden, in ihnen zu laufen, doch für einen Morgen musste es gehen. Ihr Haar hatte sie schon in ihrer Kammer nach Art der Soldaten im Nacken mit einer Schleife zu einem Zopf gebunden.
»Nun, wie sehe ich aus?« Sie drehte sich vor Branko, sodass er sie von allen Seiten sehen konnte.
»Naja … « Er rieb sich das Kinn. »Also im Dunklen und bei dem Nebel wird es schon genügen, um die Torwache zu täuschen. Aber wie wird es bei Tage sein, wenn du wiederkommst?«
Sie grinste. »Ich habe an alles gedacht.« Sie öffnete die kleine Tasche an ihrem Gürtel und holte ein braunes Fläschchen heraus. »Leim!« Mit einem zweiten Griff förderte sie einen falschen Schnauzbart zutage. Sie hatte ihn am Mittag aus Rosshaar und einem schmalen Streifen Pergament gefertigt.
Gabriela tupfte ein wenig von dem Leim auf das Pergament, und drückte sich den Schnauzer dann fest auf die Oberlippe. Es dauerte einen Augenblick, bis der Holzleim getrocknet war. Die Spitzen des mächtigen Schnauzbartes kitzelten ihr die Wangen. »Wie sehe ich jetzt aus?«
»Wie soll ich das hier im Finstern beurteilen«, maulte Branko mürrisch. »Bei Nacht wird es genügen. Aber bete zu Maria und allen Heiligen, dass sich der Nebel bis zum Mittag hält!«
Gabriela griff nach den Zügeln ihrer Stute und führte sie aus der Box. Branko hatte sogar daran gedacht, Pistolentaschen vor den Sattel zu schnallen. Sie zog ihre Waffen aus dem Gürtel und schob sie in die bestickten Futterale.
Der Junge öffnete das Stalltor. Sie schwang sich in den Sattel.
»Viel Glück«, murmelte Branko leise.
Gabriela winkte ihm zu und wendete ihr Pferd. In der Finsternis und dem dichten Nebel konnte man kaum die Hand vor Augen sehen. Einige Herzschläge lang war sie unsicher, in welche Richtung sie sich halten musste. Dann bemerkte sie ein mattes Glühen. Die Laterne des Torpostens!
Im Schritt ließ sie Nazli auf das Licht zugehen. Der Hufschlag der Stute hallte unheimlich über dem Pflaster.
»Halt! Wer dort?«
Gabriela konnte den Posten
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