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Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
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ich dem Täter noch am ehesten auf die Schliche kommen. Es liegt doch auf der Hand, dass es zwischen mir und diesem Psychopathen eine Verbindung gibt. Wer wäre besser geeignet als ich, diese Verbindung herauszufinden?«
    »Vielleicht haben Sie recht.« Wegner erhob sich schwergewichtig von seinem lederbezogenen Schreibtischstuhl. Nawrod sah, dass es ihm Mühe bereitete, eine Entscheidung zu treffen. Der Dezernatsleiter kratzte sich am Hinterkopf und ging zu einem Bücherregal. Zielgerichtet griff er nach einem dünnen Buch mit grünem Einband. Nawrod wusste sofort, dass es sich hierbei um die PDV 351 handelte. In dieser Polizeidienstvorschrift waren unter anderem sehr genau die Zuständigkeiten bei der Bearbeitung von Straftaten geregelt.
    Als sich Wegner mit einem verhaltenen Stöhnen wieder in seinen Schreibtischstuhl fallen ließ, fiel Yalcin auf, dass sich der Stuhl mit einem zischenden Geräusch merklich absenkte. Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, denn sie stellte sich vor, was dieses arme Möbelstück in all den Jahren hatte aushalten müssen.
    Wegner schaute zuerst im Inhaltsverzeichnis nach. Danach blätterte er wortlos, bis er das fragliche Kapitel gefunden hatte. Beim Lesen murmelte er vor sich hin. Schließlich schüttelte er den Kopf und schaute Nawrod direkt in die Augen.
    »Tut mir leid, Nawrod. Ich darf Ihnen den Fall nicht übertragen. Die Dienstvorschriften sind eindeutig.«
    »Ich pfeife auf die Vorschriften! Das ist doch das beste Beispiel dafür, dass die PDV 351 von Sesselfurzern verfasst wurde, die von polizeilicher Praxis keine Ahnung haben.«
    Wegner runzelte die Stirn. »Sie erwarten doch darauf keine Antwort, oder?« Er stand abermals auf, ging zum Fenster und sah auf die Römerstraße hinunter. Als er sich wieder umdrehte, atmete er tief durch.
    »Es gäbe die Möglichkeit, dass ich den Fall ganz offiziell Frau Yalcin übertrage. Sie ist zwar noch in Ausbildung, aber es gibt keine Vorschrift, die besagt, dass eine Kommissaranwärterin keine schwere Körperverletzung bearbeiten darf. Im Gegenteil! Wir Dezernatsleiter sind angehalten, die jungen Kolleginnen und Kollegen nicht nur mit leichten Fällen zu betrauen. Sie sollen lernen, sich auch bei kniffligen Vorgängen durchzusetzen.«
    »Das ist nicht Ihr Ernst, oder?«, brauste Nawrod auf. »Die Kleine hat doch von Tuten und Blasen keine Ahnung. Die kann allenfalls mal mit 100 durch Heidelberg rauschen, mehr aber nicht.«
    »Hey, Demenzi, hatten wir uns nicht auf Namen geeinigt?«
    »Halt die Klappe, wenn sich Erwachsene unterhalten!«, zischte Nawrod drohend.
    Beschwichtigend hob Wegner beide Hände. »Ich darf doch sehr bitten, Herrschaften!« Und zu Nawrod gewandt: »Wenn ich richtig informiert bin, waren Sie doch auch mal Dezernatsleiter. Ich hätte von Ihnen etwas mehr Verständnis erwartet.«
    Yalcin erkannte den Anflug eines Lächelns bei Wegner, bevor er sich mit bitterernster Miene an sie wandte: »Frau Yalcin, Sie sind ziemlich forsch mit Worten. Oder sehe ich das falsch?«
    Yalcin hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. »So wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch heraus. Herr Nawrod und ich hatten uns geeinigt, dass wir uns mit …«
    »Schon gut, schon gut!«, unterbrach Nawrod. »Sorry, ist mir im Eifer des Gefechts so rausgerutscht. Wird nicht wieder vorkommen.«
    »Versprochen?« Yalcin hob die rechte Hand.
    »Versprochen, Nesrin!«, knurrte Nawrod und klatschte ihre Hand ab.
    »Dann sind wir uns also einig. Frau Yalcin ist offizielle Sachbearbeiterin des Falles, und Sie, Herr Nawrod, werden die Kollegin mit all Ihrer Erfahrung unterstützen. Das ist das Höchste, was ich Ihnen zubilligen kann.«
    »Aber ich …« Zu mehr kam Nawrod nicht. Wegner ließ sich auf keine Diskussion mehr ein.
    »Die Sache sollte nicht an die große Glocke gehängt werden«, fuhr er unbeirrt fort. »Sehen Sie zu, dass der Fall so schnell wie möglich geklärt wird. Solchen Witzbolden muss man das Handwerk legen, bevor sie weiteres Unheil anrichten. Haben wir uns verstanden?«
    »Geht klar, Chef.« In Yalcins Stimme war eine gehörige Portion Stolz und Selbstvertrauen nicht zu überhören.
    »Wir werden das Kind schon schaukeln«, ergänzte Nawrod. »Zunächst warten wir mal die kriminaltechnischen und rechtsmedizinischen Untersuchungen ab. Dann sehen wir weiter.«
    »Ich werde schon mal vorab eine Liste mit Personen und Einrichtungen erstellen, die in irgendeiner Form mit Amputationen oder Leichen zu tun haben«,

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