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Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
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suchte er das Pressereferat auf. Er staunte nicht schlecht, als er hautnah mitbekam, welch einen Rummel der Fall ausgelöst hatte. Die Telefone standen nicht still. Der Pressereferent und seine beiden Assistenten hatten alle Hände voll zu tun. »Es ist einfach unglaublich«, stöhnte er, während er bereits den nächsten Anruf entgegennahm. Nawrod klopfte ihm anerkennend auf die Schulter und verabschiedete sich. Er hatte ein sehr gutes Gefühl. Wenn das Opfer noch lebte, würden Haider und Pfaff sich hüten, es jetzt noch zu töten. Sie mussten jeden Augenblick damit rechnen, dass die beiden Frauen, die die Pakete zur Post gebracht hatten, identifiziert würden.
    Außerdem vertraute Nawrod den Observationskräften. Sie hatten bei der Einsatzbesprechung Order erhalten, Haider und Pfaff sofort festzunehmen, sollten sie, allein oder zusammen, ein abgelegenes oder leerstehendes Gebäude betreten, in dem sich möglicherweise das Opfer befinden könnte.
    Yalcin empfing Nawrod im Büro mit freudestrahlendem Gesicht. »Ich war im Passamt«, jubelte sie.
    »Willst du verreisen?«, erwiderte Nawrod, immer noch in Gedanken um Haider.
    »Hey, Jürgen, wach auf! Ich habe Passbilder von Haiders Mutter und seiner Schwester. Halt dich fest. Die beiden sehen den Frauen auf den Phantombildern sehr ähnlich!«
    »Warum sagst du das nicht gleich? Zeig mal her!«
    Yalcin breitete die Aufnahmen auf ihrem Schreibtisch nebeneinander aus. Nawrod schaute sich die Bilder lange und mit äußerster Konzentration an. Schließlich nickte er.
    »Hast du gut gemacht, Nesrin! Weiß Wegner schon Bescheid?«
    »Nein, ich bin eben erst zurückgekommen.«
    »Geh zu ihm und leg ihm die Bilder vor. Sag ihm, du seist der Meinung, dass das MEK ab sofort auch Haiders Angehörige beschatten soll, und zwar rund um die Uhr.«
    »Willst du mich nicht begleiten?«
    »Nein, ich habe noch ein wichtiges Telefonat zu führen.«
    Nachdem Yalcin die Tür hinter sich zugemacht hatte, nahm Nawrod auf seinem Schreibtischstuhl Platz und lehnte sich weit zurück. Er atmete tief durch. Das gute Gefühl von vorhin hatte sich durch den Bildvergleich noch verstärkt. Haider und Pfaff würden ihnen sehr bald ins Netz gehen. Alles war bestens arrangiert. Er konnte sich die aufwendigen Ermittlungen im Zusammenhang mit Doktor Karmann und anderen Personen sparen. Es sprach alles dafür, dass die beiden Journalisten die Verstümmelungen und den Mord begangen hatten. »Höchste Zeit, dass ich mich mal wieder um mein Privatleben kümmere«, murmelte er zu sich selbst. Beim Wählen zitterte seine Hand. Wann hatte er Evas Stimme zum letzten Mal gehört? Was, wenn Samia den Hörer abnähme? Warum hatte er so lange damit gewartet? Würden sie ihm das vorhalten? Er würde ihnen sagen, dass er viel Arbeit gehabt hatte und … Aber das hatte er früher schon immer gesagt. Es war ja auch die Wahrheit. Nein, war es nicht. »Ich habe immer den Job über die Familie gestellt, das ist die Wahrheit!«, murmelte er, während er dem Rufton lauschte. »Aber damit ist jetzt ein für allemal Schluss!«
    »Samia Nawrod, guten Tag!«
    Die Stimme seiner Tochter zerriss ihm das Herz. Sie klang anders, viel erwachsener, als er sie in Erinnerung hatte, und doch noch vertraut.
    »Hallo, mit wem spreche ich?«, fragte sie freundlich.
    Nawrod lauschte den Worten hinterher und hielt sich an ihnen fest wie ein Ertrinkender an einem Strohhalm.
    »Hallo, wer sind Sie?«
    Er wollte antworten, doch Samias Stimme schien mit einem Schlag seine Stimmbänder gelähmt zu haben. Die Lippen bewegten sich, brachten aber keinen Ton, kein Wort hervor.
    »Ulli, komm mal her, da ist wieder so ein Spinner in der Leitung«, hörte er Samia rufen. Und dann vernahm er im Hintergrund eine tiefe Bassstimme: »Leg doch einfach auf, Sammi!«
    Wie in Trance erhob sich Nawrod von seinem Stuhl und verließ das Büro. Das Irish Pub war keine drei Minuten vom Präsidium entfernt. Er bestellte sich einen doppelten Whisky. Der Barkeeper sah auf den ersten Blick, was mit dem Gast los war. Er nickte und sagte mit seiner Joe-Cocker-Stimme: »Scotch ist bei Liebeskummer die beste Medizin. Bourbon reißt dich noch mehr runter, Kumpel.«
    »Dann gib mir einen Bourbon!«, blaffte Nawrod zurück.
    »Aber ich sage dir …«
    »Halt einfach die Klappe, Mann!« Nawrods Stimme klang drohend. Der Barkeeper sagte keinen Ton mehr. Er hatte Erfahrung mit solchen Gästen und wusste, dass es böse enden konnte, wenn er weiterreden würde. Schweigend goss er

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