Die Sünden der Gerechten - Rankin, I: Sünden der Gerechten - The Impossible Dead
«
» Das denke ich auch « , stimmte der Beamte zu. » In der Straße gibt’s überhaupt keine Wohnungen. Und soweit ich feststellen kann, war das schon immer so. «
Fox bedankte sich bei ihm und beendete das Gespräch. Er versuchte es noch einmal mit der Telefonnummer von Alice Watts zu Hause. Der durchgängige Ton verriet ihm, dass die Nummer nicht vergeben war. Fox hielt die beiden Fotos von Alice nebeneinander. Hinter den Wolken kam die niedrigstehende Sonne durch, weshalb er die Sichtblende herunterklappte. Selbst durch die geschlossenen Fenster konnte er die Panade und das Öl aus dem Fish-and-Chips-Laden riechen.
» Ich hab eine Waffe, die es eigentlich nicht geben dürfte, und eine Studentin, die spurlos verschwunden ist « , erklärte er den Fotos. » Also muss ich mich doch fragen, Alice – wer zum Teufel bist du eigentlich? «
Und wo war sie jetzt?
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» Danke, dass Sie sich mit mir treffen « , sagte Tony Kaye.
Das Café befand sich in einem leicht schäbig wirkenden Einkaufszentrum neben dem Busbahnhof, überall Neonröhren und Grabbeltische. Teresa Collins hatte dunkle Ringe unter den Augen, und die Flecken auf ihrer Kleidung mussten noch das Blut von vor einigen Tagen sein. Er war noch einmal in ihre Straße gefahren und eine Weile im Mondeo sitzen geblieben. Ihr Wohnzimmerfenster war verschmiert – ebenfalls mit Blut. Er hatte nicht bei ihr geklingelt. Stattdessen hatte er einen Zettel mit seiner Telefonnummer und der Bitte um Rückruf unter ihrer Tür durchgeschoben und gewartet, dass sie sich bei ihm meldete.
» Ich bin am Verhungern « , sagte sie und schob sich eine verfilzte Haarsträhne aus den Augen. Auf ihren Handrücken hatte sie verblichene, selbst gestochene Tattoos, das eine Handgelenk war verbunden, für das andere hatte ein großes Pflaster genügt. Er schob ihr die Speisekarte zu.
» Was Sie möchten « , sagte er.
Sie bestellte einen Bananasplit und einen Becher heiße Schokolade.
» Ich wollte mich für neulich entschuldigen « , sagte er, nachdem sie die Bestellung aufgegeben hatte.
» Und stimmt das mit Paul Carter? Dass die ihn jetzt wegen Mord drankriegen? «
Kaye nickte, weil er fand, die Lüge könne nicht schaden. » Er wird Sie nicht mehr belästigen. «
» Der Arme « , murmelte sie.
» Paul? «
Sie schüttelte den Kopf. » Der Typ, der ermordet wurde. «
Er sah, dass sie nach einer Zigarette gierte. Das Päckchen lag vor ihr auf dem Tisch, und ihre Finger spielten mit einem billigen Plastikfeuerzeug. Aber als das Eis eintraf, ließ sie es sich schmecken. Ihr Getränk süßte sie mit drei Päckchen Zucker. Es hatte etwas fast Kindliches, wie sie aß und ihre Gesichtszüge dabei weicher wurden, als erinnerte sie sich an bessere Zeiten.
» Gut? « , fragte er.
» Ja. « Aber kaum, dass sie aufgegessen hatte, fragte sie, ob sie gehen könnten. Er bezahlte, ließ seinen eigenen Kaffee unberührt stehen, und sie führte ihn raus auf die Hauptstraße, wo sie sich eine Zigarette anzündete und tief inhalierte.
» Wohin wollen Sie? « , fragte er.
Sie zuckte mit den Schultern und ging weiter. Gemeinsam überquerten sie die Straße an einer Ampel. Er wusste, dass sie Richtung Fußballstadion gingen.
» Die Stadt hat wohl schon bessere Zeiten erlebt « , spekulierte Kaye.
» Auch schon schlimmere. «
» Haben Sie immer hier gewohnt? «
» Ich war mal in London – aber ich fand’s grauenhaft. «
» Wie lange waren Sie da? «
» Bis mir das Geld ausgegangen ist. Hat fast drei Tage gedauert nach Hause zu trampen … «
Die Läden waren jetzt spärlicher gesät, viele davon sahen aus, als wären sie für immer geschlossen. Einige Hochhäuser trennten sie von der Küste. Sie ging auf eines davon zu, durch eine kaputte Tür hinein und blieb vor dem Aufzug
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