Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)
weiser Voraussicht noch nie ein anständiges Auto gekauft hat, so viele Schrammen und Dellen fährt sie zusammen. Rechtsverkehr wollte ich ihr nicht auch noch zumuten.)
Die Kochschule war auf dem Gelände eines ehemaligen Weingutes untergebracht. Die Kurse fanden in einem modernen Anbau statt, die Gästezimmer lagen in dem noch genutzten Flügel des alten Schlosses; über eine Galerie gelangte man in den gemeinschaftlich genutzten Wohn- und Essbereich. Unter der Regie der nicht mehr ganz jungen, aber noch immer sehr rüstigen Madame Véronique verbrachten wir zwei absolut fantastische Wochen, die ganz der französischen Esskultur und französischen Weinen gewidmet waren. Wir unternahmen Tagesausflüge in die umliegenden Dörfer, Besuche in Bäckereien und bei Weinbauern. Es war herrlich, die Ländereien atemberaubend. Früher hatte alles zum einst wohl sehr prächtigen Château gehört, war aber dann in den letzten Jahren an Bauern aus der Region verkauft worden. Die anderen Gäste kamen aus verschiedenen europäischen Ländern, aus den USA und Kanada. Fast nur Frauen in unserem Alter. Und Javier. Anfang fünfzig, etwas korpulent, aber sehr attraktiv und offensichtlich alleinstehend. Schon ergraut, aber silbergrau. Nicht dieses Schmutzgrau, das irische Männer ab einem gewissen Alter heimsucht, sondern distinguiertes Silbergrau. Er besaß ein Hausboot auf der Garonne, das er in ein Restaurant umfunktionieren wollte.
Als Hahn im Korb war er natürlich heiß begehrt – und die Konkurrenz leider nicht zu verachten. Bei dem Gedanken an Oliver (an Oliver, wohlgemerkt, nicht an Con) kamen mir zwar ganz kurz Schuldgefühle, aber Javier war einfach zu göttlich, um ihn sich entgehen zu lassen. Hier war Strategie gefragt, und so simulierte ich erst Interesse an einem furchtbar fetten Texaner mit schütterem Haar, der in Begleitung seiner Frau reiste, bevor ich anfing, mich so beiläufig wie möglich in Javiers Blickfeld zu positionieren. Als Schauspielerin weiß ich schließlich, wie man Akzente setzt und seine Vorzüge bestmöglich zur Geltung bringt. Auf Botox allein sollte man sich nicht verlassen.
Am Anfang haben wir versucht, diskret zu sein. Es war unglaublich aufregend, mitten in der Nacht durch das alte Gemäuer zu schleichen und die Turmtreppe zu seinem Zimmer hinaufzuhuschen. Javier ist der wohl mit Abstand beste, einfühlsamste Liebhaber, den ich jemals hatte. Ich wusste bald nicht mehr, wie ich meine Gefühle aus der Sache heraushalten sollte, die doch eigentlich nur ein Urlaubsvergnügen sein sollte. Charmant, kultiviert, aber leider total pleite, konnte Javier sich nur dank seines Bruders, einem erfolgreichen Autohändler, über Wasser halten. Dafür verstand er es, mich zum Lachen zu bringen, und versprach, sich alle meine Filme auf DVD zu kaufen. Na ja, sind ja bloß zwei. Alles in allem haben wir nur sechs Nächte zusammen verbracht, aber zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, einem Mann gegenüber wirklich offen und ehrlich sein zu können. Kann sein, dass ich weniger Hemmungen hatte, weil ich dachte, ich würde ihn nie wiedersehen. Ich hatte nichts zu verlieren. Er fand mich witzig und herrlich unverschämt, was völlig neu für mich war. In unserer letzten gemeinsamen Nacht bat Javier mich, bei ihm zu bleiben. In Frankreich! Ich musste lachen. War das nicht ein bisschen albern, jetzt noch – in meinem Alter – meinen Mann zu verlassen? Doch je länger ich darüber nachdachte, desto verlockender schien mir die Idee eines neuen Lebens, einer zweiten Chance. Welch eine befreiende Vorstellung!
Alice machte in der Zwischenzeit ihr eigenes Ding; meistens war sie mit der alten Madame zusammen, um ihr Französisch aufzupolieren. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Alice von mir und Javier wusste, aber sie hat nie was gesagt. Wahrscheinlich war ihr allein der Gedanke unangenehm. Sie hatte mich die letzten zwanzig Jahre über Con jammern gehört, mir aber immer versichert, was für ein tolles Paar wir doch wären und dass sich schon wieder alles finden würde. Arme Alice, sie hat immer nur das Gute in anderen Menschen sehen wollen. Sogar in ihrem Mann.
Als ich mich am letzten Morgen zurück zu meinem Zimmer schlich, sah ich Alice im Loungebereich sitzen. Es war halb acht, der Tag brach gerade erst an. Sie schien kein bisschen überrascht, mich um diese Zeit hier zu sehen, und kam gleich zur Sache.
»Wie gut kennst du eigentlich meinen Mann, Moya?«
Einen Moment war ich sprachlos. Wo kam das
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