Die Sündenheilerin (German Edition)
weitläufigen Gebäudes untergebracht.
Die Kammer, die der Mönch Philip und Said zuteilte, war klein und die schmale Schlafstatt eine einfache Strohschütte, aber immerhin war sie sauber und das Stroh frisch.
»Wir wurden schon besser beherbergt«, stellte Said fest, nachdem er sein Abendgebet verrichtet hatte und die Decken über dem Stroh ausbreitete.
»Mag sein.« Philip zog sein Hemd aus und begutachtete den blutverkrusteten Riss im Stoff. »Die Wäscherinnen werden einiges zu tun haben.«
»Wenn du keine anderen Sorgen hast …« Said streckte sich auf der Strohschütte aus. »Verrat mir lieber, worüber du so lange mit Frau Helena gesprochen hast.«
»Du bist ziemlich neugierig.« Philip schüttelte das Hemd aus und faltete es sorgsam zusammen.
Said grinste. »Das weißt du doch.«
»Ich habe ihr die Geschichte erzählt, wie mein Vater meinen Großvater kennenlernte.«
»Ihre Gegenwart tut dir gut. Ich habe es ja gleich gewusst.«
Philip legte sich neben Said auf die schmale Bettstatt. Kein Vergleich zu ihrer Kammer auf Burg Birkenfeld, aber immer noch besser als in der kalten Geisterhöhle. Ob Lena wohl eine behaglichere Stube zugeteilt bekommen hatte?
»Was ich dich schon lange fragen wollte, Said …«
»Ja?« Said richtete sich halb auf und stützte den Kopf auf den angewinkelten Arm.
»Wieso bist du so selbstbeherrscht? Ich meine, seit wir Alexandria verlassen haben, hast du keinem schönen Mädchen nachgeschaut, geschweige denn, dich mit ihm vergnügt.«
»Warum sollte ich?«
»Ach, tu doch nicht so! Du warst zwar immer etwas zurückhaltender als ich, aber beileibe kein Eunuch.«
Said grinste nur.
»Nun sag schon«, drängte Philip. »Was ist mit dir?«
»Gar nichts. Nur dass die anderen Frauen mich nicht mehr reizen können, seit ich mein Herz verschenkt habe.«
Philip fuhr hoch. »Seit wann?«
»Schon lange.«
»Kenne ich sie?«
»Ja.«
»Da bin ich neugierig. Welche Blume aus den Gärten Alexandrias konnte dich betören?«
Said schwieg.
»Hast du Angst, ich könnte lachen, weil sie ein Hinkebein hat und schielt?«
»Nein.« Der Araber zupfte einige Strohhalme unter der Decke hervor und drehte sie zwischen Daumen und Zeigefinger, ohne Philip anzusehen.
»Warum machst du dann so ein Geheimnis daraus? Bin ich dein bester Freund oder nicht?«
Said holte tief Luft, setzte an, etwas zu sagen, dann atmete er aber wieder aus, ohne ein Wort zu sagen. Stattdessen schnippte er die Strohhalme fort. Draußen pfiff der Wind am Fenster vorbei.
»Ist es so schwer?«, fragte Philip.
Er rechnete schon mit keiner Erwiderung mehr, als Said einen Namen nannte. »Sophia.«
Philip schluckte. Er hätte jede Antwort erwartet, nur diese nicht.
»Meine Schwester?«
Kein Wunder, dass Said ein solches Geheimnis daraus gemacht hatte.
Der Araber nickte.
Philips Gedanken flogen zurück in die Vergangenheit. Die kleine Sophia, mit Haaren, schwarz wie Rabenflügel, und dunkelblauen Engelsaugen, die so unschuldig blicken konnten, selbst wenn sie ihm gerade eine Eidechse ins Bett gesetzt hatte. Nie hatte er in ihr etwas anderes als ein Kind gesehen, auch wenn sie inzwischen schon siebzehn war und ihm längst kein Krabbelgetier mehr unter die Decke steckte.
»Weiß mein Großvater Bescheid?«
»Natürlich nicht. Niemand außer Sophia wusste es bislang.«
»Und Sophia? Erwidert sie deine Gefühle?«
Said zog das schlichte Medaillon hervor, das er stets unter seiner Kleidung trug, und öffnete es. Eine glänzende schwarze Haarlocke hob sich von dem goldenen Hintergrund ab.
»Sie hat sie mir gegeben, bevor wir aufgebrochen sind.« Said klappte das Medaillon wieder zu.
Es war Sophia also ernst. Philip wurde der Hals eng. Er liebte seine Schwester, er liebte auch seinen Freund Said, aber …
»Warum hast du es mir nicht längst erzählt?«
»Weil ich weiß, wie aussichtslos diese Liebe ist.« Said seufzte. »Uns trennen Welten. Sie ist Christin, ich bin Muslim. Mein Vater und ich stehen in Diensten deines Großvaters. Weshalb sollte er sie mir zur Frau geben?«
Philip nickte. Er konnte Saids Bedenken verstehen. Sophia würde ihren Glauben behalten dürfen, aber Saids Religion gebot, dass seine Kinder islamisch erzogen werden mussten. Wie würde die christliche Gemeinde Alexandrias damit umgehen? Würde Sophia ihre Achtung verlieren? Nun, vermutlich war Sophia stark genug, mit allen Anfeindungen umzugehen. Für das Geschäft seines Großvaters war es von Vorteil, einen Muslim als Schwiegerenkel zu
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