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Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)

Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)

Titel: Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brett McBean
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in einer Ecke steht ein Kleiderschrank. Der Kamin befindet sich neben dem Kleiderschrank. Er ist in die Ziegelmauer eingelassen und die eigentliche Feuerstelle ist im Moment nur ein leeres, schwarzes Loch – es gibt keinerlei Anzeichen, dass hier in jüngerer Vergangenheit oder überhaupt jemals ein Feuer loderte. Mr. Stamford führt mich durch das verlassene Schlafzimmer. Vor dem Kamin bleiben wir stehen.
    Nichts weist darauf hin – abgesehen von dem Geruch –, dass je eine Leiche unter der Kaminplatte begraben lag. Nichts lässt erkennen, dass der Boden herausgerissen wurde, um die verwesende Leiche aus ihrem flachen Grab zu befreien. Der Bereich rund um den Kamin sieht aus wie bei jeder anderen Feuerstelle auch.
    Während ich mich neben den Kamin hocke, höre ich ein Kratzen unter dem Boden. Zunächst nehme ich an, dass es sich dabei um eine Ratte handelt, aber das Geräusch klingt zu vorsätzlich – wie Fingernägel, die über das Holz kratzen.
    Ich schnappe erschrocken nach Luft, richte mich wieder auf und drehe mich zu Mr. Stamford um, der mich vollkommen verblüfft ansieht. Ich teile ihm meine Beobachtung mit, aber er versichert mir, nicht das Geringste davon mitbekommen zu haben.
    Ich lausche erneut – das Kratzen ist verstummt.
    Als der Gestank des Todes stärker wird, fällt mir das Atmen immer schwerer und ich verlasse das Zimmer. Draußen im Flur wird mein Kopf allmählich wieder klar und auch meine Atmung normalisiert sich.
    In den banalen Wänden dieses Hauses ist zwar überall dieselbe verstörende Atmosphäre zu spüren, aber im Herzen dieses Zimmers liegt etwas Böses. Als ich dem Gebäude den Rücken kehre und in den nebligen Nachmittag hinausschreite, weiß ich, dass ich dieses Zimmer nie wieder betreten möchte. Darin mag zwar bereits vor neun Monaten ein schreckliches Verbrechen begangen worden sein, aber der Schleier des Unheilvollen ist noch nicht verflogen.
    Ob es sich dabei um den Geist von Mad Fred Deeming handelt oder ob er nur eine gewisse Restenergie zurückgelassen hat, mögen Sie als Leser bitte selbst entscheiden. Einige Menschen, darunter auch Mrs. Fiddymont und Mr. Spedding, sind sich absolut sicher, dass das Haus von Geistern heimgesucht wird. Andere, etwa Mr. Stamford, sind der Ansicht, dass in seinem Inneren nichts Ungewöhnliches zu finden ist – außer den entsetzlichen Erinnerungen an ein grausames Verbrechen.
    Es gibt aber noch einen Mann, der die Idee, Deemings Geist könne durch die Straßen von Melbourne spuken, für lächerlich hält: Walter Smith, der Henker im Gefängnis von Melbourne.
    »Ich habe ihm mit eigenen Händen eine Schlinge um den Hals gelegt und dann zugesehen, wie er durch die Luke fiel – sein Genick ist so schnell und sauber gebrochen, wie es sein soll. Es ist völlig unmöglich, dass sein Geist danach noch munter durch die Straßen spukt. Außerdem ergibt es einfach keinen Sinn, dass Deemings Geist ruhelos durch die Gegend ziehen und Prostituierte aufschlitzen soll. Ich weiß, dass das, was er getan hat, ganz grauenhaft war, aber er muss ein religiöser Mann gewesen sein.
    Wissen Sie, was er gesagt hat, als der Sheriff ihn fragte, ob er noch einige letzte Worte sagen will, bevor der Hebel umgelegt wird? ›Möge der Herr meinen Geist empfangen.‹ Und der Herr lehnt diese Bitte bei keinem Menschen ab, ganz gleich, was er sich hier auf Erden auch zuschulden kommen ließ. Deemings Geist kann also nur im Himmel sein. Er ist nicht hier unten gefangen, um noch mehr Schmerzen zu verursachen oder weiteren Schrecken zu verbreiten. Wissen Sie, was ich glaube? Also, ich will wirklich nicht respektlos erscheinen, aber ich denke, dass hinter den Morden jemand von der Zeitung steckt, der den Absatz ein bisschen ankurbeln möchte. Es heißt ja, es sei auch ein Journalist gewesen, der diesen ›Dear Boss‹-Brief geschrieben und sich den Namen Jack the Ripper ausgedacht hat, um mehr Zeitungen zu verkaufen. Das war gar nicht der Mörder selbst. Und genau danach riechen auch diese jüngsten Morde für mich – da will jemand noch mehr Zeitungen an den Leser bringen.«
    Im letzten Teil unserer Reportage nehmen wir die jüngsten Prostituiertenmorde unter die Lupe, besuchen die Orte, an denen die Frauen ums Leben kamen, und zeigen die Parallelen zu zwei der Ripper-Morde, die sich vor vier Jahren ereigneten, auf. Außerdem hören wir die verblüffenden Aussagen eines Arztes aus dem Melbourner Gefängnis sowie die Enthüllungen eines Häftlings derselben Anstalt –

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