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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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endlose Vorträge über die wahren Sünden, als ob es nicht schon genug andere gegeben hätte.
    Die wahren Sünden seien die Begierden des Fleisches, sagte Mutter. Damit konnte ich nichts anfangen. Ich war doch erst neun Jahre alt. Ich dachte, es hätte etwas mit dem Rinderbraten zu tun, den sie für Margret auf den Tisch hatte bringen müssen. Vater hatte das verlangt. Einem lieben Gast könne man nicht zwei Tage hintereinander Bohnensuppe vorsetzen. Vater hatte sich zwei Stücke von dem Braten genommen, ich nur eins, das kleinste, obwohl Margret mich aufforderte: «Nimm dir doch noch ein Stück, Cora. Oder magst du kein Fleisch?»
    Natürlich mochte ich Fleisch. Aber ich dachte, wenn ich mir noch ein Stück nehme, Margret reist wieder ab, und ich muss mir das dann anhören. So war es ja auch.
    Und dann, eine Woche nachdem Margret abgereist war, kam ein Päckchen. Im Winter war das, in den Schulferien. Das weiß ich noch genau. Das Päckchen kam morgens mit der Post, und weil Vaters Name draufstand, wagte Mutter nicht, es zu öffnen. Sie legte es auf den Küchenschrank. Und abends trennte Vater mit einer großartigen Geste die Kordel durch.
    Margrets Besuch hatte ihn verändert. Seit sie wieder weg war, sprach er unentwegt von dem neuen Wind, der jetzt im Haus wehte, und von den sieben dürren Jahren, auf die sieben fette folgen mussten. Und wenn es acht dürre gewesen wären, müssten es auch acht fette sein. Danach sei er dann alt genug für den endgültigen Verzicht.
    Einmal sagte er zu Mutter: «Wer nicht erhören will, muss zahlen. Sonst kriege ich noch Schwielen an die Hände.» Grit Adigar sagte immer zu ihren Töchtern: «Wer nicht hören will, muss fühlen», wenn sie Kerstin oder Melanie auf dieFinger schlug. Mir war Vaters komisches Gerede nicht geheuer. Die Leute in unserer Nachbarschaft erzählten, Mutter sei verrückt. Das sagten sie so, dass ich es hörte. Ich hatte Angst, dass Vater nun auch verrückt wurde.
    Er machte ein Theater um das Päckchen, benahm sich, als sei ein neues Herz für Magdalena drin. Es waren ein paar Süßigkeiten, von denen er sofort etwas verteilte, obwohl Mutter mit steifem Gesicht dabeistand. Magdalena bekam ein Röhrchen mit Schokoladenbonbons. «Viele, viele bunte Smarties.» Ich kannte die Dinger vom Schulhof. Ich bekam auch ein Röhrchen und wollte es Mutter geben. Aber Vater hielt meine Hand fest.
    «Das sind deine», sagte er. «Und du wirst sie essen. Den Rest heben wir uns für Weihnachten auf. Dann müssen wir Mutter nicht zumuten, süße kleine Verführer einzukaufen.»
    Außer den Süßigkeiten hatte Margret noch andere Sachen eingepackt, alle in buntes Papier gewickelt, mit Schleifen darum. An den Schleifen waren kleine Karten befestigt, auf denen unsere Namen standen. Obenauf lag ein Briefumschlag.
    Es war der erste Brief von Margret, den Vater mir vorlas. Nicht nur mir, Mutter und Magdalena waren auch in der Küche. Mutter hatte beide Sessel aus dem Wohnzimmer geholt und aneinander gestellt, damit Magdalena liegen konnte. Es ging ihr nicht so gut an dem Tag.
    Margret wünschte uns allen ein frohes Weihnachtsfest, ein glückliches und vor allem gesundes neues Jahr. Sie bedauerte, dass ihr Besuch nicht das gewünschte Resultat erzielt hatte. Hoffte, Mutter möge sich noch auf ihre Pflichten besinnen und einmal darüber nachdenken, dass der Erlöser niemals Enthaltsamkeit von seinen Dienern gefordert habe. Das hätten später andere behauptet. Aber denen sei es nur darum gegangen, das angehäufte Vermögen nicht an irgendwelche Erben verteilen zu müssen. Und Mutter möge doch bitte auch bedenken, dass Vater nicht allein im Zimmer läge.Es sei keinem geholfen, wenn es ein Unglück gäbe. Sie verstehe sehr gut, dass Mutter Angst vor einer weiteren Schwangerschaft habe. Aber das müsse in der heutigen Zeit nicht sein, da gäbe es genügend Mittel. Und Margret war sicher, dass der Erlöser diese Mittel billigte, weil niemand die Natur der Menschen besser kannte als er. Und das zweite Lamm zu opfern sei eine Verschwendung, die er niemals gutheißen könnte.
    Vater las das alles laut vor, dann kam er zu den Geschenken. Für Magdalena eine Puppe. Sie war aus Stoff, hatte ein lustiges Gesicht mit buntem Garn aufgestickt. Große blaue Augen und rote Wangen, ein lachender Mund mit weißen Zähnen. Ihr Haar war aus Strickwolle, gelbe Fäden, die zu dicken Zöpfen geflochten waren. Margret wünschte Magdalena von ganzem Herzen ein Gesicht, wie die Puppe es hatte, lustig und

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